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Der Morgen fühlte sich von Anfang an schlecht an. Das Sonnenlicht, das normalerweise durch die Vorhänge fiel, schien kälter zu sein, die Stille schwerer. Helen sah auf die Uhr: acht Uhr fünfzehn. Sie waren nie so spät dran. Sie goss sich noch eine Tasse Kaffee ein und tat so, als würde sie die Sekunden zwischen den Blicken zum Fenster nicht zählen.

Sie versuchte einmal, eine SMS zu schreiben: Ist alles in Ordnung? Dann noch einmal, zwanzig Minuten später: Bist du auf dem Weg? Die Nachrichten blieben als zugestellt markiert, nie gelesen. Das Telefon lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Tisch, der Bildschirm schwarz und gleichgültig. Draußen war die Straße leer. Keine Autotüren, keine Stimmen, kein Lachen.

Bis zum Mittag hatte sich das Unbehagen zu etwas Schwererem ausgeweitet. Ein Knoten von Schuldgefühlen, den sie nicht abschütteln konnte. Hatte sie etwas Falsches gesagt? War sie beim letzten Mal zu streng mit den Kindern gewesen? Helen stand am Waschbecken, die Hände noch feucht, und starrte auf die ruhige Straße hinaus. “Was habe ich getan?”, flüsterte sie.

Der Morgen begann in Helens Haus immer mit dem gleichen Geräusch: dem entfernten Gekrächze der Spatzen und dem leisen Surren des Wasserkochers. Sie mochte den Rhythmus, die Ordnung, die kleinen Gewissheiten. Um halb acht duftete es in der Küche nach Toast und Haferflocken mit Zimt, der Tisch war gedeckt und die Servietten zu kleinen Dreiecken gefaltet, die die Kinder lustig fanden.

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Um Punkt acht Uhr fuhr das Auto in die Einfahrt. Emma stürmte als Erste durch die Tür, ihr Rucksack hüpfte, ihr Lachen hallte durch den Flur. Jake folgte dicht dahinter, langsamer, und umklammerte den ausgestopften Elefanten, der nie weit von ihm entfernt war. Helen beugte sich immer hinunter, um die beiden zu umarmen, bevor sie ihnen die Mäntel abnahm.

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Ihre Mutter Lisa erschien einen Moment später mit dem Telefon in der Hand, ihr Ton war forsch, aber freundlich. “Du bist eine Lebensretterin, Mama”, sagte sie und drückte Helen einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor sie zur Arbeit eilte. Die Routine war so vertraut, dass sie wie ein Uhrwerk ablief, eine unausgesprochene Choreografie, die über Jahre hinweg perfektioniert worden war.

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Als das Auto in der Straße verschwand, kehrte Helen in die Küche zurück, wo zwei Lunchboxen wie Einladungen offen standen. Sie füllte sie mit Sorgfalt: halbe Sandwiches, Apfelscheiben, kleine Zettel, die in geschwungener Schreibschrift geschrieben waren. Du bist mutig. Du wirst geliebt. Die Kinder kicherten, als sie die Zettel fanden, und taten so, als wären sie verlegen, aber Helen wusste, dass sie sich darauf freuten.

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Der Rest des Morgens verlief ruhig: die Kinder wurden zur Schule gebracht, die Wäsche trudelte in der Maschine, das langsame, beruhigende Brummen des Radios im Haus. An manchen Tagen fragte sie sich, wie sie jemals so viel Glück gehabt hatte, dass das Lachen ihrer Enkelkinder vier Tage in der Woche ihr Haus erfüllte. Es gab ihr einen Sinn. Es gab ihr Frieden.

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Und obwohl Lisa oft sagte: “Mama, du musst das alles nicht tun”, empfand Helen es nie als Last. Es war das, was sie konnte, was sie gut konnte. Die Dinge ruhig zu halten. Aber Lisa war nicht beständig. Sie hatte die Angewohnheit, das Leben als einen Ansturm halbfertiger Gedanken und verspäteter Entschuldigungen erscheinen zu lassen.

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Sie hatte sich bereit erklärt, Helen bei ihrer Untersuchung im Krankenhaus zu helfen, um dann in letzter Minute abzusagen. “Ich habe es völlig vergessen”, sagte sie mit schneller, abgelenkter Stimme. “Ich werde es nächste Woche wieder gutmachen.” Die nächste Woche kam nie. Einmal versprach sie, Emma von der Schule abzuholen, aber Helen ging nach einem besorgten Anruf der Lehrerin schließlich selbst hin.

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Als Lisa endlich auftauchte, lachte sie darüber. “Oh, du bist zu gut, Mama. Was würde ich nur ohne dich tun?” Helen lächelte, aber in dieser Nacht saß sie länger wach als sonst. Es war nicht so, dass Lisa grausam war. Sie war einfach unvorsichtig mit der Zeit, mit Worten, mit der Stetigkeit anderer Menschen. Helen redete sich ein, dass es die Erschöpfung war, der Stress von Arbeit und Elternschaft.

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Doch jedes gebrochene Versprechen hinterließ einen leisen Riss. An diesem Donnerstagnachmittag war das Haus voller Lachen. Emma und Jake bauten im Wohnzimmer eine Festung, während Helen einen Topf mit Eintopf umrührte. “Mittagessen in zehn Minuten”, rief sie. “Fast fertig!” Rief Emma zurück. Jake fügte hinzu: “Oma, sieh mal! Wir haben einen Tunnel gebaut!”

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Helen lächelte und ging hinüber, um ihr Werk zu begutachten. Die Kissen waren zu hoch gestapelt, und eine ihrer antiken Vasen, ein Geschenk ihres verstorbenen Mannes, stand gefährlich nahe an der Tischkante. “Vorsichtig, mein Schatz”, sagte sie sanft und versuchte, die Vase zu stützen. Doch Jake griff gleichzeitig zu, um zu helfen, und die Vase rutschte ab.

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Sie zerschellte an den Fliesen und verstreute das Porzellan auf dem Boden. Jake erstarrte. Helens Stimme klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte. “Ich habe dir gesagt, du sollst vorsichtig sein, Jake! Das war kein Spielzeug.” Sofort schossen ihm Tränen in die Augen. “Das wollte ich nicht!”, schrie er und zog sich hinter die Couch zurück. Helens Wut legte sich ebenso schnell wieder. “Oh, Schatz, komm her”, sagte sie und hockte sich hin.

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“Nana hat sich nur erschreckt, das ist alles.” Doch Jake blieb versteckt. Draußen schloss sich eine Autotür. Lisa. Als Helen die letzten Scherben in den Mülleimer fegte, stand Lisa bereits in der Tür. Sie nahm die Szene in Augenschein, musterte die zerbrochene Vase, Jakes tränenüberströmtes Gesicht und Emma, die den Arm ihres Bruders hielt. “Was ist passiert?”

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Begann Helen zu erklären, aber Lisa nickte nur langsam. “Unfälle passieren”, sagte sie. Sie kniete sich neben Jake und strich ihm das Haar zurück. “Bist du okay, Kumpel?” Er nickte, immer noch schniefend. Lisa wandte sich mit einem kleinen, höflichen Lächeln an ihre Mutter. “Es ist in Ordnung, Mom. Mach dir keine Sorgen.” Aber die Art, wie sie es sagte, machte Helen unruhig.

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Später an diesem Abend, nachdem alle nach Hause gegangen waren, saß Helen in ihrer stillen Küche und starrte auf die saubere Arbeitsplatte, auf der die Vase gestanden hatte. Das Geräusch, wie sie zerbrach, hallte in ihrem Kopf nach. Und auch Lisas Stimme. Ruhig. Losgelöst. Es war nicht der Zorn, der Helen beunruhigte, es war die Gleichgültigkeit.

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Helens Tage waren immer einem Rhythmus gefolgt, dem sie vertraute. Ordentlich, verlässlich, wie ein Lied, das sie auswendig kannte. Aber in letzter Zeit war etwas aus der Reihe getanzt. Lisa war auf kleine, fast unsichtbare Weise distanziert geworden. Sie brachte die Kinder immer noch pünktlich nach Hause, sagte immer noch “Danke, Mama”, aber ihre Stimme war nicht mehr so warm wie früher.

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“Ist alles in Ordnung?” Fragte Helen eines Morgens, als Lisa ihre Jacke an der Tür zurechtrückte. Lisas Antwort war höflich und geübt. “Nur müde, das ist alles.” Die Worte hätten sie trösten sollen, aber das taten sie nicht. Es lag keine Zärtlichkeit in ihnen. Keine Pause, um zu fragen, wie es Helen ging. Eine Woche später hatte Helen eine Routineuntersuchung in der Klinik.

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Nichts Ernstes. Nur die Art von Besuch, zu der sie immer in Begleitung gegangen war. Lisa hatte sofort zugesagt. “Ich fahre dich, Mama. Mach dir keine Sorgen.” Helen hatte daraufhin gelächelt. Es war ein schönes Gefühl, einmal umsorgt zu werden und dass ihre Tochter sich für sie interessierte. Der Morgen kam hell und ruhig. Helen wartete am Küchentisch, den Mantel fein säuberlich gefaltet, die Handtasche auf dem Schoß.

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Acht Uhr dreißig verging. Dann neun. Sie schenkte sich eine Tasse Tee ein, um sich die Zeit zu vertreiben. Um neun Uhr fünfundvierzig brummte ihr Telefon. Tut mir leid, Mama. Es kam etwas dazwischen. Kannst du einfach ohne mich weitermachen? Das war alles. Kein Anruf, keine Frage, wie sie sich fühlte. Helen starrte auf die Nachricht, den Daumen über der Tastatur schwebend.

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Sie tippte Natürlich, pass auf dich auf, dann löschte sie sie. Am Ende schickte sie nichts. Die Krankenhauslobby war kälter, als sie es in Erinnerung hatte. Sie saß im Wartezimmer, die Hände im Schoß verschränkt, der Geruch von Desinfektionsmitteln lag in der Luft. Schließlich rief eine Krankenschwester ihren Namen, und sie folgte ihr, wobei ihre Schuhe auf den Fliesen quietschten.

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Als sie an diesem Nachmittag nach Hause kam, drückte die Stille des Hauses wie Nebel auf sie ein. Lisa hatte nicht angerufen. Nicht einmal, um zu fragen, wie es gelaufen war. Helen wärmte sich eine Suppe auf, setzte sich ans Fenster und beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Sie redete sich ein, Lisa sei nur beschäftigt, das war sie immer. Aber als die Stunden vergingen, wurde sie das Gefühl nicht los, dass “beschäftigt” zu einer Ausrede geworden war, die zu dünn war.

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Die nächsten Tage vergingen mit halbherzigen SMS, die nicht länger als ein oder zwei Zeilen waren. Wenn Lisa mit ihr persönlich sprach, war sie höflich, aber abgelenkt, und ihre Augen wanderten mitten im Gespräch zu ihrem Telefon. Helen begann sich zu fragen, ob sie etwas falsch gemacht hatte, ob sie vielleicht etwas Unachtsames gesagt hatte oder zu kritisch klang, als sie das letzte Mal miteinander sprachen.

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Diese Ungewissheit verfolgte sie noch lange nachts, nachdem die Lichter ausgegangen waren. Sie konnte nicht sagen, was sich verändert hatte, nur, dass es so war. Und zum ersten Mal seit Jahren fühlte sich die Beständigkeit, auf die sie ihr Leben aufgebaut hatte, brüchig an. Bis zum Wochenende hatte Helen sich eingeredet, dass sich alles wieder einrenken würde.

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Familien stritten sich, machten Phasen durch, gerieten aus dem Rhythmus. Aber das bedeutete nicht, dass die Liebe verschwunden war. Sie beschloss, das zu tun, was sie immer tat, wenn ihr die Worte fehlten: kochen. Jakes Geburtstag stand bevor, und sie wollte, dass er perfekt war. Nichts Ausgefallenes, nur warm und vertraut, die Art von Tag, an die sich die Kinder erinnern würden.

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Sie verbrachte den Samstagmorgen auf dem Markt und summte vor sich hin, während sie Erdbeeren, frische Sahne und Schokostreusel aussuchte. Emma liebte die ersten, Jake die letzten. Für Lisa kaufte sie Orangensaft und einen kleinen Strauß gelber Tulpen. Am Nachmittag herrschte im Haus rege Betriebsamkeit.

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Luftschlangen hingen über dem Küchenfenster, die guten Teller glänzten auf dem Tisch, und der Duft von Vanille und Zimt erfüllte die Luft. Helen stellte sogar ein paar zusätzliche Kerzen auf, weil sie dachte, Lisa würde vielleicht darüber lachen: “Du übertreibst es immer, Mama.” Als der Abend anbrach, schrieb sie eine SMS: “Habe alles für morgen vorbereitet!

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Kannst du sie um acht abliefern? Ich mache Pfannkuchen, und Jake kann nach der Schule helfen, den Kuchen zu glasieren.” Sie erwartete ein schnelles Herz-Emoji oder ein kurzes “Wird gemacht” Stattdessen blieb die Nachricht ungelesen. Als sie ins Bett ging, hatte sie immer noch keine Antwort erhalten. Sie versuchte, es zu verdrängen. Vielleicht war Lisa früh eingeschlafen, vielleicht war ihr Telefon kaputt.

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Aber als Helen im Morgengrauen aufwachte, überprüfte sie die Nachricht noch einmal, bevor ihre Füße den Boden berührten. Immer noch nichts. Aus Gewohnheit ging sie durch den Morgen, deckte den Tisch mit hellen Servietten, goss Sirup in eine Glasschüssel, wärmte die Pfanne für die Pfannkuchen vor. Die Uhr schlug acht. Dann acht Uhr dreißig. Sie versuchte zu telefonieren. Keine Antwort. Dann David. Direkt auf die Mailbox.

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“Hallo, hier ist Mama”, sagte sie und zwang sich, ruhig zu bleiben. “Ich wollte nur fragen, ob alles in Ordnung ist. Ich habe Frühstück für die Kinder gemacht. Ruf mich an, wenn du kannst.” Das Schweigen danach war lang und schwer. Sie faltete wieder die Servietten, einfach um etwas zu tun. Um zehn Uhr lief sie zwischen der Küche und dem Fenster hin und her. Ein Auto fuhr vorbei. Dann ein anderes.

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Plötzlich summte ihr Telefon, und Erleichterung machte sich in ihrer Brust breit. Bis sie die Nachricht las. Die Kinder sind heute mit Schulsachen beschäftigt. Wir sagen Ihnen Bescheid, wenn wir Sie wieder brauchen. Sie las sie zweimal und versuchte, die Worte in etwas weniger Grausames umzuwandeln. Wenn wir dich wieder brauchen.

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Nicht “bis bald”, nicht “danke”, nur das, als wäre sie ein Dienst, den man in Anspruch nehmen konnte. Ihre Kehle wurde trocken. Sie tippte: “Oh, in Ordnung. Ich wollte nur sichergehen, dass es allen gut geht, und schickte die Nachricht ab, bevor sie weiter darüber nachdenken konnte. Die Nachricht wurde als zugestellt markiert, dann nichts mehr. Draußen begannen die Tulpen auf der Theke zu welken, ihre gelben Blütenblätter rollten sich nach innen.

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Helen schaltete den Herd aus und deckte die Pfannkuchen mit einem Handtuch ab. Die Luft roch süß und falsch, wie eine verpatzte Feier. In dieser Nacht lag sie wach und starrte an die Decke. Vielleicht war Lisa wirklich beschäftigt. Vielleicht würde sie morgen anrufen. Aber tief in ihrem Inneren flüsterte eine kleine Stimme den Gedanken, den sie nicht aussprechen wollte, dass es hier gar nicht um Geschäftigkeit ging.

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Es ging darum, vergessen zu werden. Die Tage nach Jakes Geburtstag vergingen in seltsamer Stille. Helen versuchte, sie mit kleinen Dingen zu füllen, ihre Pflanzen zu gießen, dieselbe Ladung Wäsche zweimal zu falten, den Tisch zu decken, obwohl niemand gekommen war. Sie redete sich ein, dass Lisa beschäftigt sein musste, dass die Kinder wahrscheinlich nach der Schule ein Programm hatten.

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Aber je länger ihr Telefon still stand, desto dünner wurden diese Ausreden. Am Dienstagnachmittag wischte sie in der Nähe des Flurs Staub, als sie etwas bemerkte, das nicht an seinem Platz war. An der Garderobe hing ein vertrauter Lederranzen. Lisas Tasche. Dieselbe, die sie überall mit sich herumtrug, über die Schulter gehängt, als wäre sie ein fester Bestandteil ihrer Garderobe. Helen runzelte die Stirn. Sie hatte sie vorher nicht bemerkt.

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Einen langen Moment lang stand sie da und wusste nicht, ob sie sie anfassen sollte. Es fühlte sich falsch an, in den Sachen ihrer Tochter zu wühlen. Aber es war eine Woche des Schweigens gewesen. Wenn es ihr sagen konnte, wo sie waren oder ob es ihnen gut ging, war das Grund genug, dachte sie. Sie löste den Verschluss und öffnete ihn.

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Darin befanden sich die üblichen Dinge: ein kleines Notizbuch, eine Packung Taschentücher, Quittungen vom Supermarkt. Nichts Beunruhigendes. Sie atmete aus, eine Mischung aus Erleichterung und Schuldgefühlen. Doch als sie tiefer griff, stießen ihre Finger auf glänzendes Papier. Sie zog es heraus. Es war eine Immobilienbroschüre. Oben stand in hellen Lettern “New Beginnings. Friedliche Nachbarschaften. Raum zum Wachsen.”

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Das Foto zeigte ein modernes Stadthaus mit weißen Wänden und einer gestutzten Hecke vor dem Haus, die Art von Haus, von der Lisa immer gesagt hatte, dass sie sie “eines Tages” lieben würde Helen drehte es um und suchte nach Details. Das in der Ecke aufgedruckte Datum war erst zwei Wochen alt. Ihr Puls beschleunigte sich. Hatte Lisa sich Häuser angeschaut? Ohne es ihr zu sagen?

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Sie setzte sich schwerfällig hin, die Broschüre zitterte in ihren Händen. Vielleicht war es gar nichts, sagte sie sich. Vielleicht hatten sie ihn nur zufällig mitgenommen. Aber der Gedanke ließ sie nicht los. Die Stille, die ungelesenen Nachrichten, die unangetasteten Pfannkuchen und jetzt das. “Was hast du vor, Lisa?”, flüsterte sie. Der Kühlschrank summte leise hinter ihr vor sich hin.

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In dieser Nacht schlief Helen kaum. Sie ließ die Broschüre auf ihrem Nachttisch liegen, deren fröhliche Schrift sie jedes Mal verhöhnte, wenn sie sich umdrehte. Alle paar Minuten drehte sie sie in ihren Händen, in der Hoffnung auf eine Adresse, eine Notiz, irgendetwas, das erklärte, was geschah. Doch da war nichts. Nur ein lächelnder Immobilienmakler, der einen “Neuanfang” versprach

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Als die Morgendämmerung einsetzte, verstärkte sich Helens Sorge zu etwas Schwererem, nämlich dem Gefühl, dass sie zurückgelassen wurde. Am Morgen beschloss Helen, dass sie das Rätselraten nicht mehr ertragen konnte. Wenn Lisa nicht anrufen würde, würde sie selbst nachsehen. Sie redete sich ein, dass sie nur die Tasche vorbeibringen würde und sonst nichts. Aber als sie die Tasche über ihren Arm streifte, spürte sie das Zittern in ihren Fingern.

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Die Fahrt zu Lisas Haus war ruhig, bis auf das Geräusch der Scheibenwischer, die einen feinen Nieselregen wegwischten. Als sie in die Straße einbog, fühlte sie sich beim Anblick der leeren Einfahrt unwohl in ihrer Brust. Sie parkte und stieg aus, wobei sie die Tasche wie einen Rettungsanker umklammerte. Die Jalousien waren geschlossen. Die vordere Veranda sah kahl aus. Sie klopfte einmal, dann noch einmal, lauter.

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“Lisa? Ich bin’s.” Stille. Sie läutete und wartete. Der hohle Glockenschlag hallte durch das stille Haus. Helen lehnte sich näher an das Fenster und schielte durch einen schmalen Spalt im Vorhang. Die Küche war makellos, zu makellos. Kein Geschirr in der Spüle. Keine Lunchboxen oder Rucksäcke auf dem Tresen. Sogar die Familienfotos, die normalerweise an der Wand hingen, waren verschwunden.

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Ihr Herz sank. Sie ging an der Seite des Hauses entlang und spähte durch das Wohnzimmerfenster. Kartons, ordentlich in der Ecke gestapelt. Ihre Hand verkrampfte sich um die Tasche. Waren sie umgezogen? Ohne ein Wort zu sagen? Ihr Telefon fühlte sich schwer in ihrer Hand an. Sie rief Lisa an und wurde auf die Mailbox gesprochen. Dann David, wieder die Mailbox. Bei dem Geräusch drehte sich ihr der Magen um.

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Helen blieb einen Moment lang in der Stille stehen und spürte, wie sich eine gewisse Panik in ihr breit machte. Sie wandte sich wieder der Straße zu, als Mrs. Patel von der anderen Straßenseite mit ihrem Gartenschlauch winkte. “Guten Morgen, Helen!” Helen zwang sich zu einem Lächeln. “Morgen. Haben Sie Lisa oder die Kinder in letzter Zeit gesehen?” Mrs. Patel legte den Kopf schief und dachte nach.

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“Oh, ja. Letztes Wochenende, glaube ich. Sie sind am frühen Samstagmorgen mit einer Menge Gepäck abgereist. Sie sagten, sie würden eine Reise machen. Es klang, als bräuchten sie eine Pause.” Helens Kehle schnürte sich zu. “Eine Reise?” Mrs. Patel nickte fröhlich. “Das haben sie gesagt. Ich dachte mir, Sie wüssten es, sie sahen ein wenig in Eile aus.” Helen versuchte zu lächeln, doch ihr Gesicht fühlte sich hölzern an.

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“Ja, das muss ich wohl vergessen haben”, murmelte sie. Als sie sich wieder zu ihrem Auto umdrehte, schien die Welt ein wenig zu verschwimmen. Eine Reise, dachte sie wie betäubt. Aber warum hatte Lisa ihr nichts gesagt? Warum nicht einmal eine kurze SMS? Als sie zu Hause ankam, hatte sich ihre Sorge in Selbstzweifel verwandelt.

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Sie ging jedes Gespräch, jeden kleinen Moment der Anspannung noch einmal durch. Der Tag der Vase, der Blick in Lisas Augen, der kühle Ton in ihrer Stimme. Vielleicht war sie zu weit gegangen. Vielleicht war es ihre Schuld. An diesem Abend saß sie am Küchentisch und hatte die Broschüre immer noch neben ihrer Teetasse liegen. Im Haus war es still, bis auf das leise Ticken der Uhr.

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“Habe ich das getan?”, flüsterte sie. Aber die Luft, wie auch das Haus, hatte keine Antwort. In dieser Nacht fühlte sich das Haus an, als ob es den Atem anhalten würde. Die Stille war nicht mehr friedlich, sie war dicht, unnatürlich, eine Stille, die Gewicht hatte. Helen saß am Küchentisch, den Immobilienprospekt aufgeschlagen neben ihrer Tasse mit dem kalt gewordenen Tee.

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Das lächelnde Foto des neuen Stadthauses starrte sie an, hell und hohl. Sie musste immer wieder an das Wort denken, das in fetten Buchstaben oben auf dem Prospekt stand: New Beginnings. Ihre Finger zitterten, als sie die Buchstaben nachzeichnete, ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Vielleicht war ich zu kontrollierend. Vielleicht hat der Vorfall mit der Vase sie mehr aufgeregt, als ich dachte.

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Vielleicht bin ich zu der Art von Mutter geworden, vor der die Leute weglaufen. Der Gedanke sank wie ein Stein in ihrer Brust. Sie presste ihre Hand auf den Mund und flüsterte in die Leere: “Ich wollte nur helfen.”

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Doch je länger sie dort saß, desto mehr verhärtete sich die Traurigkeit zu etwas Schärferem. Ihr Blick wanderte zu der Uhr, die gleichmäßig über dem Herd tickte. Dieselbe Uhr, die jeden Schulmorgen gemessen hatte, jede Gute-Nacht-Geschichte, jedes Mal, wenn sie alles stehen und liegen gelassen hatte, um da zu sein, wenn Lisa anrief.

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Ich war immer für sie da, dachte sie verbittert. Jedes Mal, wenn sie mich brauchte. Jedes Mal, wenn sie zu spät kam. Jeder Arzttermin, jedes Schulprojekt, jede vergessene Brotdose. Und so behandeln sie mich?

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Ihre Brust hob und senkte sich jetzt schneller. “Du verschwindest tagelang, gehst nicht ans Telefon, und dann … ziehst du einfach weiter, ohne ein Wort zu sagen?” Ihre Stimme knackte, aber sie hörte nicht auf. “Nein. Diesmal nicht.” Abrupt stand sie auf und schob den Stuhl mit einem Kratzen zurück. Das Geräusch war zu laut in der stillen Küche, aber es beruhigte sie irgendwie. “Kein Warten mehr am Telefon”, sagte sie leise. “Nie mehr bequem sein.”

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Und dann klingelte das Telefon. Das Geräusch ließ sie aufschrecken. Sie erstarrte, der Puls pochte in ihren Ohren. Einen Moment lang bewegte sie sich nicht, dann sah sie den Namen auf dem Display aufblitzen: Lisa. Ihre Kehle schnürte sich zu. Sie antwortete. “Lisa?” Ihre Stimme klang leiser, als sie beabsichtigt hatte. “Wo bist du? Was ist hier los? Ich habe…”

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“Mom”, unterbrach Lisa, ihr Tonfall war flach, fast beiläufig. “Entspann dich, okay? Uns geht es gut. Wir sind gerade aus dem Urlaub zurückgekommen. Die Kinder sind erschöpft, und David und ich sind völlig ausgelaugt. Wir brauchen ein paar Tage, um uns auszuruhen und die Arbeit nachzuholen. Kannst du die Kinder eine Zeit lang nehmen?” Helen blinzelte verblüfft. “Urlaub?”, wiederholte sie.

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“Du bist fast zwei Wochen lang ohne ein Wort verschwunden, und jetzt willst du, dass ich wieder alles stehen und liegen lasse?” Lisa seufzte, und es klang gereizt. “Mom, bitte. Ich brauche keine Belehrung. Ich brauche nur etwas Hilfe. Du bist meine Mutter. Du sollst da sein.” Irgendetwas in Helen wurde unruhig. Ihre Stimme klang ruhig, aber mit einem Hauch von Stahl. “Ich war da. Bei allem.

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Jede späte Abholung, jede Nacht, in der du nicht kochen konntest, jeden Moment, in dem du jemanden gebraucht hast, der alles zusammenhält. Aber du erinnerst dich nur an mich, wenn es dir gerade passt, Lisa.” Es gab eine Pause in der Leitung, lange genug, dass Helen Lisas flaches Atmen hören konnte. “Mama…” Begann Lisa, ihre Stimme war unsicher.

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“Nein”, mischte sich Helen ein, deren Stimme nun zitterte, die aber fest und überzeugt war. “Es geht hier nicht um einen Urlaub. Das ist die Rache für all die Jahre der Vernachlässigung. Dafür, dass du mich wie eine Hilfe und nicht wie eine Familie behandelt hast. Ich liebe diese Kinder, aber du kannst nicht einfach verschwinden und zurückkommen, als wäre nichts geschehen.” Ausnahmsweise hatte Lisa keine Antwort. Nur Schweigen.

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Dann, ganz leise: “Gut”, sagte sie. “Wenn du das so siehst.” Die Leitung war tot. Helen saß lange Zeit da, das Freizeichen ging im Summen des Hauses unter. Sie legte das Telefon mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch, ihr Spiegelbild starrte schwach auf dem dunklen Bildschirm zurück. Ausnahmsweise weinte sie nicht. Sie flüsterte nur in den leeren Raum: “Das hört jetzt auf.”

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Die folgenden Tage waren ruhig, fast schon beunruhigend ruhig. Die Stille, die sie einst verletzt hatte, fühlte sich nun… sauber an. Helen wachte früh auf, kochte ihren Kaffee und las am Fenster, anstatt auf das Geräusch eines Autos in der Einfahrt zu warten. Der Schmerz der Gewohnheit blieb, der Reflex, auf ihr Telefon zu schauen, der Drang, Mahlzeiten für kleine Hände zu planen, die nicht kommen würden, aber sie kämpfte nicht mehr dagegen an.

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In der zweiten Woche begann das Haus sich wieder wie ihres anzufühlen. Sie lüftete das Gästezimmer, wusch die Bettwäsche der Kinder und legte sie fein säuberlich im Schrank zusammen. Sie topfte ihren sterbenden Farn um. Sie reparierte sogar das lockere Scharnier der Speisekammer, das David vor Monaten zu reparieren versprochen hatte.

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Jede kleine Aufgabe fühlte sich an, als würde sie ein Stück von sich selbst zurückgewinnen, von dem sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie es weggegeben hatte. Manchmal, an den ruhigen Nachmittagen, ertappte sie sich dabei, wie sie an Lisa dachte. Die eilige Stimme am Telefon, das abgelenkte Nicken, die vergessenen Versprechen. Es waren so viele kleine Momente gewesen, die sich jetzt zu sehr aneinander reihten.

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Die Art und Weise, wie Lisas Dankbarkeit immer mehr wie eine Erwartungshaltung klang. “Ich war immer da”, sagte Helen einmal laut, die Worte waren seltsam, aber befriedigend. Sie war nicht mehr wütend, nicht wirklich. Nur … wach. Trotzdem machte ihr Herz immer einen Sprung, wenn ihr Telefon klingelte. Sie sah nach, halb hoffend, halb fürchtend.

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Normalerweise war es nichts. Ein Bankalarm. Eine Lieferbestätigung. Die Abwesenheit von Lisas Namen wurde zu einer eigenen Art von Präsenz. Dann, an einem grauen Nachmittag, tauchte er endlich auf. Das Telefon klingelte so plötzlich, dass Helen fast die Tasse in ihrer Hand fallen ließ. Sie nahm den Hörer ab, ihr Puls stieg bereits an. “Mama?” Lisas Stimme war zittrig, atemlos, an den Rändern von Panik zerfranst.

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Hinter ihr hörte Helen das Echo von Stimmen, eilige Schritte, das schwache, gleichmäßige Piepen eines Monitors. “Lisa? Was ist denn los?” Fragte Helen, die bereits aufgestanden war. “Wir sind im County General”, sagte Lisa schnell. “Die Kinder. Sie sind wirklich krank. Sie können nichts bei sich behalten, ihr Fieber geht durch die Decke. Ich habe alles versucht. Ich weiß nicht, was ich tun soll, Mama.”

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Helens Brust zog sich zusammen. “Sind sie bei Bewusstsein?” “Sie werden immer wieder ohnmächtig”, sagte Lisa mit brüchiger Stimme. “David ist nicht in der Stadt. Er ruft ständig an, aber er ist auch in Panik. Ich bin schon die ganze Nacht hier.” Helen wartete nicht, um nachzudenken. “Ich komme”, sagte sie und schlüpfte bereits in ihren Mantel. “Mama”, flüsterte Lisa, und ihre Stimme brach. “Ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen sollte.”

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“Du hast das Richtige getan”, sagte Helen sanft, ruhig, aber blass, während sie nach ihren Schlüsseln griff. “Bleib bei ihnen. Ich bin auf dem Weg.” Sie fuhr durch den Regen wie jemand, der sich durch einen Traum bewegt, die Scheinwerfer schnitten durch den Nebel, die Scheibenwischer klirrten. Jede rote Ampel kam ihr unerträglich vor. Ihre Gedanken rasten: Was, wenn es etwas Ernstes ist? Was, wenn sie zu spät kommt?

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Doch zwischen den Ängsten lag etwas Leiseres, Älteres. Der Schmerz, wieder gebraucht zu werden. Als sie schließlich durch die Türen des Krankenhauses trat, schlug ihr die antiseptische Luft entgegen. Lisa saß im Wartebereich, blass und mit hohlen Augen, die Finger um ein feuchtes Taschentuch gekrallt. “Sie sind da drin”, sagte Lisa, sobald sie sie sah.

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“Der Arzt meint, es sei eine Mageninfektion, aber er ist sich noch nicht sicher. Sie geben ihnen Flüssigkeit.” Helen legte ihr eine Hand auf die Schulter. “Lass uns gehen.” In dem kleinen Krankenhauszimmer summte die sanfte Maschinerie der Sorge. Emmas Haut glänzte vor Fieber, ihre Atmung war flach. Jake rührte sich schwach neben ihr.

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Helen bewegte sich instinktiv, prüfte ihre Stirn, rückte die Decken zurecht und sprach leise mit der Krankenschwester. Lisa stand an der Wand und zitterte. “Ich habe es vermasselt”, sagte sie, und ihre Stimme brach. “Ich dachte, ich könnte alles schaffen. Die Arbeit, die Kinder, das Haus, aber ich habe es nicht kommen sehen. Ich hätte um Hilfe bitten sollen. Ich hätte dich früher anrufen sollen.”

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Helen sagte nicht sofort etwas. Sie goss Tee aus ihrer Thermoskanne in eine Tasse und reichte sie ihr. “Trink”, sagte sie sanft. “Du tust ihnen nichts Gutes, wenn du zusammenbrichst.” Lisas Hände zitterten, als sie die Tasse nahm. “Ich war furchtbar zu dir”, flüsterte sie. “Als wir gegangen sind … als wir es dir nicht gesagt haben … das war nicht fair. Du warst immer für mich da, und ich habe so getan, als wäre es mir egal.”

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Helen seufzte, den Blick auf die Kinder gerichtet. “Du wolltest deinen Freiraum”, sagte sie leise. “Aber dabei hast du den Respekt vergessen.” “Ich weiß”, sagte Lisa mit leuchtenden Augen. “Ich habe dich nicht verdient.” Helen sah ihre Tochter einen langen Moment lang an. “Du brauchst mich nicht zu verdienen. Aber du musst daran denken, dass ich nicht hier bin, um als selbstverständlich angesehen zu werden.”

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Das Schweigen zwischen ihnen hielt an. Zerbrechlich, aber nicht mehr kalt. Der Vorhang raschelte, als der Arzt eintrat. “Gute Nachrichten”, sagte er mit einem beruhigenden Lächeln. “Sie sprechen auf die Behandlung an. Die Flüssigkeit hilft. Sie können sie heute noch mit nach Hause nehmen.” Lisa stieß einen zittrigen Atem aus und presste ihre Hände auf ihr Gesicht. “Gott sei Dank.”

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Helen strich Emma ein verirrtes Haar aus der Stirn und lächelte schwach. “Wir werden sie im Handumdrehen wieder zu Kräften bringen”, sagte sie leise. Dann sah sie Lisa an, und ihr Tonfall änderte sich. “Aber nur, wenn du nicht vorhast, wegzuziehen.” Lisa blinzelte erschrocken.

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“Wegziehen?” Helen griff in ihre Tasche und zog die gefaltete Immobilienbroschüre heraus. “Das habe ich in deiner Handtasche gefunden. Ich habe nicht danach gesucht, aber … er war da.” Lisa starrte ihn mit großen Augen an. “Oh, Mama … nein. Das war David.

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Er hat schon vor Monaten mit der Idee gespielt, als die Arbeit hart war. Wir werden nirgendwo hingehen. Ich schwöre es.” Helen betrachtete ihr Gesicht einen Moment lang, dann nickte sie langsam. Erleichterung machte sich leise breit und lockerte ihre Schultern.

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“Gut”, sagte sie. “Denn ich kann sie nur wieder gesund pflegen, wenn ich weiß, wo sie zu finden sind.” Lisa stieß ein leises, tränenreiches Lachen aus, das erste seit Wochen. “Du wirst immer wissen, wo du uns findest, Mama.” Helen lächelte, klein, aber echt.

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“Das ist alles, was ich hören wollte.” Draußen hatte sich der Sturm verzogen. Die Sonne brach in dünnen, goldenen Streifen über das nasse Pflaster. Als sie gemeinsam hinausgingen, roch die Luft nach Regen und Morgen.

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Zum ersten Mal seit langer Zeit war das Schweigen zwischen ihnen nicht von Schuldgefühlen oder Distanz geprägt. Es war etwas Einfacheres, etwas fast Neues. “Bringen wir die beiden nach Hause”, sagte Helen leise. Und diesmal bedeutete nach Hause für beide das Gleiche.

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