Advertisement

Die Kette verschwand hinter dem Korallenriff, verschluckt von einer Dunkelheit, die zu atmen schien. Elias schwebte darüber, Blasen stiegen langsam an seinem Gesicht auf. Sein Taschenlampenlicht durchdrang den blaugrünen Dunst gerade so weit, dass er die nächsten Glieder erkennen konnte, und dann war nichts als Schwarz. Es war, als starrte er in einen Schlund.

Sein Herzschlag pochte in seinen Ohren, lauter als das Meer. Jeder Instinkt sagte ihm, er solle umkehren, sich zu dem schwachen Schimmer des Tageslichts weit oben erheben. Aber die Kette glitt weiter den Hang hinunter, unendlich lang, unendlich still. Sie sah nicht vergessen aus. Sie sah platziert aus.

Dann bewegte sich etwas unter ihm. Die Glieder zitterten, kaum wahrnehmbar, aber real, und rührten den Schlick auf. Elias erstarrte, die Augen hinter der Maske weit aufgerissen. Zum ersten Mal, seit er zur See gefahren war, fühlte sich Elias wirklich klein, schwebend zwischen der Oberfläche über ihm und der Dunkelheit unter ihm.

Das Meer sah an diesem Abend zahm genug aus, um ihm zu vertrauen. Ein dünnes orangefarbenes Lichtband zog sich über das Wasser, das selbst zerrissene Netze golden aussehen ließ. Elias steuerte seinen Trawler in Richtung der Docks und summte leise vor sich hin, während das Salz auf seinen Unterarmen trocknete.

Advertisement
Advertisement

Er war noch neu im Dorf, drei Monate, vielleicht vier. Er war ein Außenseiter, dem man zunickte, aber nicht mit ihm sprach, der respektiert wurde, aber keine Gesellschaft fand. Die alten Fischer tolerierten ihn, vor allem, weil er seine Liegegebühren pünktlich bezahlte und nicht zu viel redete. Hier draußen war das genug.

Advertisement

An diesem Tag war er weiter als sonst gefahren, weil er dem Gerücht nachging, dass sich die Untiefen in Richtung kältere Strömungen verschoben hatten. Das Wasser da draußen hatte sich anders angefühlt. Irgendwie leerer, zu still, um sich wohl zu fühlen. Er war weniger als eine halbe Meile vom Ufer entfernt, als der Trawler unter ihm ruckte.

Advertisement
Advertisement

Das Deck schwankte. Ein tiefes metallisches Ächzen hallte durch den Rumpf, gefolgt von dem scharfen Knirschen von Eisen gegen Holz. Mit klopfendem Herzen stellte Elias den Motor ab und spähte über die Bordwand. Die See war ruhig, flach, ungebrochen, bis seine Augen eine dunklere Linie sahen, die sich durch die Wellen zog.

Advertisement

Eine Kette. Sie war riesig. Jedes einzelne Glied war breit genug, um den Arm eines Mannes hindurchzustecken, und die Oberfläche war mit Rost überzogen, der die Farbe von getrocknetem Blut hatte. Sie erstreckte sich in beide Richtungen, wobei das eine Ende im offenen Meer verschwand und das andere in den Untiefen nahe der Küste vergraben war.

Advertisement
Advertisement

Er beugte sich vor und stieß mit seinem Ruder dagegen. Das Holz schlug mit einem hohlen Klirren auf Eisen. Kein Fels. Kein Treibholz. Etwas Geschaffenes. Etwas Platziertes. Zurück am Ufer war die Neugier größer als die Vorsicht. Die Kette schlängelte sich in einer zerklüfteten Linie den Strand hinauf, halb vergraben in Sand und Seetang, bevor sie hinter einer niedrigen Anhöhe verschwand. Der Geruch von Salz und Rost hing in der Luft.

Advertisement

Er hockte sich hin und griff nach einem der Glieder. Das kalte Metall biss in seine Handflächen. Er spannte sich an und zog mit aller Kraft: einmal, zweimal, jedes Mal fester. Doch nichts. Die Kette bewegte sich nicht einen Zentimeter. Es war, als ob der Ozean selbst sie festhalten würde. Er ließ sie los, atemlos, und starrte sie schweigend an. Woran auch immer sie befestigt war, sie war viel schwerer, als er es sich jemals vorgestellt hatte.

Advertisement
Advertisement

Elias richtete sich auf und blinzelte zum Horizont. Was könnte am anderen Ende liegen? Ein Wrack, vielleicht. Ein Frachtraum, vollgepackt mit Münzen oder Artefakten, die vor Jahrzehnten verschluckt wurden. Der Gedanke war töricht, aber er rührte etwas in ihm an.

Advertisement

Er griff erneut nach der Kette, zog diesmal fester, und sie glitt noch ein paar Meter weiter. Das Geräusch, das sie machte, war scharf und lebendig, wie etwas, das erwacht. In diesem Moment begann das Geschrei. Zuerst waren es nur schwache Echos, die vom Wind getragen wurden, dann wurden die Stimmen deutlicher und drängender.

Advertisement
Advertisement

Elias drehte sich um und sah drei Männer, die den Hang hinunterkletterten, mit blassen Gesichtern und fuchtelnden Armen. “Lass es!”, rief einer. “Um Gottes willen, fassen Sie das nicht an!” Die Männer erreichten ihn schnell, atemlos und wütend im schwindenden Licht.

Advertisement

Der Älteste, graubärtig und von der Sonne gezeichnet, zeigte mit zitternder Hand auf die Kette. “Bist du verrückt?”, sagte er. “Willst du das Meer über uns alle hereinbrechen lassen?” Elias blinzelte und hielt sich immer noch an einem der verrosteten Glieder fest. “Es ist eine Kette”, sagte er gleichmütig. “Wahrscheinlich von einem Wrack. Mehr nicht.”

Advertisement
Advertisement

Die Augen des Mannes verengten sich. “Dann kennst du diesen Ort noch nicht.” Die anderen nickten grimmig. Einer von ihnen spuckte in den Sand. “Das haben wir dem letzten auch gesagt. Er hat auch nicht zugehört.” Elias runzelte die Stirn. “Der letzte?” Der graubärtige Mann zögerte, dann seufzte er.

Advertisement

“Vor drei Tagen ging ein Einheimischer auf die Suche nach dem Ende des Dings. Er sagte, er würde herausfinden, wohin es führt. Er fuhr mit seinem Boot über den Kamm hinaus und kam nicht mehr zurück. Wir suchten, bis das Licht ausging. Am nächsten Morgen fanden wir das Boot treibend. Vollkommen leer.”

Advertisement
Advertisement

Der jüngere Fischer mischte sich ein, seine Stimme war leise. “Wollt ihr wissen, was noch im Boot war? Sein Funkgerät, seine Netze … sogar sein Mittagessen. Als wäre er gerade ausgestiegen.” Elias blickte an ihnen vorbei auf das Meer. Der Horizont ging jetzt ins Violette über, und die Kette schimmerte schwach im schwindenden Licht, als würde sie lauschen.

Advertisement

“Vielleicht hat ihn die Strömung mitgenommen”, sagte er. “Oder ein Sturm.” “Kein Sturm”, antwortete der Älteste. “Das Wasser war ruhig in dieser Nacht. Flach wie Glas. Genau wie jetzt.” Die Gruppe stand in unruhigem Schweigen. Die Wellen plätscherten leise an den Strand, das einzige Geräusch zwischen ihnen.

Advertisement
Advertisement

Schließlich murmelte einer der Männer: “Lass es liegen, Fremder. Wir lassen es aus einem bestimmten Grund in Ruhe.” Als sie gingen, blieb Elias zurück. Die Glieder glitzerten nass und dunkel unter dem dämmrigen Himmel und verschwanden im Meer wie der Schwanz von etwas Riesigem.

Advertisement

Er redete sich ein, dass es nur Eisen und Salz war, aber die Stille, die folgte, fühlte sich wachsam, fast erwartungsvoll an. An diesem Abend in der Hafenkneipe war die Luft voller Gerede. Ein Sturm aus Gerüchten und Whiskey.

Advertisement
Advertisement

Elias fing Bruchstücke zwischen dem Klirren der Gläser auf: die Kette, der verschwundene Mann, das Meer, das sich nahm, was es wollte. Der Barkeeper, ein schwergewichtiger Mann mit Armen wie Fässern, lehnte sich näher heran, als Elias ihn danach fragte. “Aye, alle reden darüber. Der Mann, der verschwunden ist, Edwins Vater. Der arme Junge reißt sich darum, nach ihm zu tauchen, aber niemand will ihn lassen.”

Advertisement

Elias hob eine Augenbraue. “Und niemand denkt daran, noch einmal nachzusehen?” Die Augen des Barkeepers bewegten sich. “Das haben wir. Haben sein Boot gefunden. Die Kette gefunden, genau wie du. Aber ein Mann, der zwei Nächte da draußen vermisst wird? Er ist nicht mehr vermisst. Das Meer gibt nicht zurück, was es nimmt.”

Advertisement
Advertisement

Elias spottete leise und schob sein Glas beiseite. “Bei euch hört sich das an, als ob das Meer lebendig wäre.” “Vielleicht ist es das”, sagte der Barkeeper. Und dann, etwas leiser: “Und vielleicht ist es das Beste, ihn in Ruhe zu lassen.” Aber das konnte Elias nicht.

Advertisement

Als er in die kalte Nacht hinaustrat, hörte er das Rauschen der Wellen hinter sich, so gleichmäßig wie sein Atem. Irgendwo in der Dunkelheit hinter den Docks wartete die Kette, und er wusste, dass er am Morgen zurück sein würde.

Advertisement
Advertisement

Der Morgen kam grau und langsam, eine Morgendämmerung, die das Meer wie Blech aussehen ließ. Elias bewegte sich mit ruhiger Entschlossenheit am Dock entlang, sein Atem geisterte in der kalten Luft. Er lud seine Ausrüstung auf das Boot: Sauerstoffflaschen, Maske, Schwimmflossen, eine wasserdichte Lampe und ein kleines Sonargerät, das noch schwach nach Öl roch.

Advertisement

Die Möwen kreisten über ihm und schrien wie Warnungen, auf die niemand hören würde. Er zog gerade den letzten Riemen fest, als hinter ihm Schritte zu hören waren. “Willst du wirklich wieder da rausgehen?” Elias drehte sich um. Ein Mann stand ein paar Schritte entfernt, hager und wettergegerbt, das Gesicht von den Jahren auf See gezeichnet. Doch in seinen Augen lag etwas Rohes, etwas Suchendes.

Advertisement
Advertisement

“Kommt darauf an, wer fragt”, sagte Elias. “Mein Name ist Edwin.” Der Mann trat näher heran. “Du warst gestern Abend in der Bar. Ich habe Sie mit Collins reden hören.” Elias nickte. “Du bist also derjenige, den sie nicht in die Nähe des Wassers lassen wollen.” Edwins Kiefer spannte sich an.

Advertisement

“Mein Vater war derjenige, der hinter der Kette her war.” Seine Stimme zitterte, aber nur einen Moment lang. “Sie sagen, er ist tot. Aber das glaube ich nicht. Ich muss wissen, was passiert ist.” Elias musterte ihn, den Seesack zu seinen Füßen, das Glitzern von Metall, das aus dem Inneren hervorschaute.

Advertisement
Advertisement

Eine Taucherausrüstung. Der Mann meinte es ernst. “Ich tauche, seit ich laufen kann”, sagte Edwin. “Wenn die Kette ihn irgendwo hingebracht hat, will ich sehen, wo. Du gehst sowieso da raus. Lass mich mitkommen.” Elias runzelte die Stirn. “Du weißt, dass jeder in dieser Stadt denkt, es sei Selbstmord.”

Advertisement

Ein schwaches Lächeln geisterte über Edwins Lippen. “Dann werden wir ihnen vielleicht das Gegenteil beweisen.” Die Möwen schrien wieder, diesmal lauter. Der Wind frischte auf und ließ die Ränder von Elias’ Mantel flattern. Er blickte über das Wasser hinaus, der Horizont war flach und silbern.

Advertisement
Advertisement

Schließlich sagte er: “Na gut. Aber wir machen es auf meine Art. Kein Risiko. Keine Heldentaten.” Edwin nickte. “Ich würde es auch nicht anders haben wollen.” Sie lösten schweigend die Taue. Der alte Trawler stöhnte, als er vom Dock abtrieb, und das Geräusch hallte von den Klippen wider.

Advertisement

Die Dorfbewohner sahen vom Ufer aus zu. Nicht hoffnungsvoll, sondern mit dem Mitleid, das denjenigen vorbehalten ist, die schon halb tot sind. Als der Motor aufheulte und die Küste hinter ihnen zu schrumpfen begann, blickte Elias einmal über seine Schulter.

Advertisement
Advertisement

Die Kette glitzerte schwach unter der Oberfläche und lief auf die Tiefe zu wie ein Versprechen, von dem er nicht sicher war, ob er es halten wollte. Elias hielt eine Hand am Steuer, die andere auf dem Sonarmonitor. Eine schwache grüne Linie flimmerte über den Bildschirm, die Kette, unverkennbar, verlief gerade und ungebrochen unter ihnen. “Da bist du”, murmelte er.

Advertisement

Sie folgten ihr fast eine Meile lang, während die Sonne auf der Wasseroberfläche wie Glasscherben glitzerte. Je weiter sie kamen, desto schwerer schien die Luft zu werden. Eine tiefe, kaum wahrnehmbare Vibration kroch durch den Schiffsrumpf, gleichmäßig und rhythmisch, als hätte das Meer einen Herzschlag.

Advertisement
Advertisement

Edwin blickte hinüber, sagte aber nichts. Elias verstellte den Gashebel, aber die Vibration wurde nur noch stärker und pulsierte jetzt in seiner Brust statt in seinen Händen. Er atmete langsam aus und versuchte, nicht zu zeigen, dass es ihn störte.

Advertisement

“Das Ding hört nicht auf”, sagte Edwin schließlich. Seine Stimme trug seltsam im Wind. “Was glaubst du, wie weit es reicht?” Elias überprüfte erneut das Sonargerät. “Weiter, als wir bisher gekommen sind. Seht. Da vorne ist eine solide Markierung. Das könnte der Punkt sein, an dem es aufhört.”

Advertisement
Advertisement

Sie drifteten über die Stelle und schalteten den Motor ab. Die Welt wurde still, bis auf das leise Zischen von Wasser und Stahl. Elias blickte nach unten. Die Oberfläche unter ihnen war still, dunkel, zu dunkel für diese Tageszeit. Er drehte sich zu Edwin um. “Bist du bereit?”

Advertisement

Edwin nickte und setzte seine Maske auf. “Darauf habe ich schon eine ganze Weile gewartet.” Sie bewegten sich mit ruhiger Präzision. Zwei Männer, die sich auf etwas vorbereiteten, das keiner von ihnen benennen konnte. Das Zischen der komprimierten Luft erfüllte die Luft, als sie ihre Masken verschlossen.

Advertisement
Advertisement

Einen Moment lang zögerte Elias am Rande des Bootes, den Blick auf den Horizont gerichtet, der nun unendlich weit entfernt schien. Dann kippte er nach vorne. Zwei Körper schnitten durch das Wasser und verschwanden in der Tiefe. Das Meer schloss sich um sie wie kaltes Glas.

Advertisement

Elias beruhigte seinen Atem, Blasen stiegen an seiner Gesichtsplatte auf, als er dem Strahl seiner Taschenlampe nach unten folgte. Die Kette tauchte unter ihnen auf, riesig, uralt, sie kroch über den Meeresboden wie das Rückgrat von etwas, das lebendig begraben war.

Advertisement
Advertisement

Ihre Glieder waren mit Korallen und Algen bedeckt, aber das Metall darunter glänzte noch an den Stellen, an denen die Strömung es sauber geschabt hatte. Edwin schwamm neben ihm, ihre Lichter durchbrachen den blauen Dunst. Fischschwärme zerstreuten sich bei ihrer Annäherung, flackerten silbern auf und verschwanden wieder in der Dunkelheit.

Advertisement

Eine Zeit lang war das einzige Geräusch der langsame Rhythmus ihrer Regler, ein und aus, gleichmäßig wie die Gezeiten. Die Kette schlängelte sich durch die Korallengärten wie ein lebendiges Wesen. Elias streckte die Hand aus und berührte eines der Glieder. Es war kalt, unnatürlich glatt unter dem Bewuchs.

Advertisement
Advertisement

Kein gewöhnliches Schiffsmetall. Dichter. Älter. Sie folgten ihm über den flachen Grat, bis die Korallen sich zu lichten begannen. Die Farben verschwanden und wurden durch grauen Stein und Treibsand ersetzt. Dann, plötzlich, endete der Boden einfach.

Advertisement

Elias trat näher und winkelte seine Taschenlampe nach unten. Der Strahl verschwand im Nichts. Die Kette setzte sich fort und fiel direkt vom Rand einer Unterwasserklippe ab. Sie versank in einer Schwärze, die so vollkommen war, dass sie das Licht ganz zu verschlucken schien.

Advertisement
Advertisement

Einen langen Moment lang bewegte sich keiner von ihnen. Elias spürte, wie das Gewicht des Meeres gegen seine Brust drückte, und hörte das Pochen seines eigenen Pulses in seinen Ohren. Er drehte sich zu Edwin um. Ihre Blicke trafen sich durch das Glas. Sie wussten beide, was der andere dachte. Was auch immer dort unten wartete, sollte nicht gefunden werden.

Advertisement

Elias hob die Hand, um zu signalisieren, dass er umkehren sollte. Doch Edwin zögerte, sein Blick war auf die Dunkelheit unter ihm gerichtet, als würde etwas dort unten nach ihm rufen. Elias’ Licht suchte den Meeresboden ab. Die Kette neigte sich zu einem zerklüfteten Grat, der ins offene Wasser abfiel.

Advertisement
Advertisement

Er spürte, wie sich seine Brust zusammenzog. Sie befanden sich jetzt jenseits des sicheren Schelfs, wo der Meeresboden Hunderte von Metern abfiel. Er zögerte. Haie jagten in diesen Tiefen, und die Strömungen konnten in Sekundenschnelle tödlich werden. Aber die Kette hörte nicht auf, sie floss direkt über den Rand der Klippe und verschwand in der schwarzen Leere darunter.

Advertisement

Er richtete seine Fackel nach unten. Der Strahl verschwand, noch bevor er den Boden erreichte. Sein Messgerät zeigte achtzig Fuß an, dann neunzig, und immer noch war da nichts als Dunkelheit. Edwin schwebte neben ihm, gleichmäßig atmend, die Augen auf die Kette gerichtet.

Advertisement
Advertisement

Elias bedeutete ihnen, umzukehren, aber Edwin deutete in Richtung Abgrund. Die Kette fiel nicht einfach ab, sondern krümmte sich leicht und winkelte zu einer dunklen Öffnung, die in die Felswand unter ihnen gehauen war. Eine Höhle. Elias spürte, wie sich sein Magen verdrehte.

Advertisement

Die Öffnung war schmal, kaum breit genug, dass ein Taucher hindurchpassen konnte, und sie schien ewig zu dauern. Er schwenkte seine Taschenlampe über den Eingang. Der Strahl reichte nur wenige Meter weit, bevor er in einem dichten, grünen Schlammnebel verschwand.

Advertisement
Advertisement

Er schüttelte heftig den Kopf, um den Rückzug anzumelden. Doch als er sich umdrehte, war Edwin bereits in Bewegung. Der jüngere Mann stieß sich mit einem Platzen der Luftblasen ab, wobei seine Flossen das Wasser durchschnitten, als er auf die Höhle zuglitt. Sein Licht verschwand darin, bevor Elias auch nur durch seinen Atemregler schreien konnte.

Advertisement

Elias fluchte, und Blasen stiegen aus seinem Mundstück auf. Er starrte in die Dunkelheit, und jeder Instinkt schrie danach, draußen zu bleiben. Aber das Bild von Edwins Vater, der nie zurückgekommen war, blitzte in seinem Kopf auf. Und dann trat er nach vorne. Die Höhle verschluckte ihn ganz.

Advertisement
Advertisement

Der Tunnel zog sich um sie herum zusammen, bis das Gestein so dicht war, dass es an ihren Panzern kratzte. Elias’ Atem rauschte laut in seinen Ohren. Jeder Tritt wirbelte Schlammwolken auf, die im Lichtkegel seiner Taschenlampe wie Rauch aufgewirbelt wurden.

Advertisement

Es war ein tückisches Schwimmen, die Art von Tauchgang, die keinen Raum für Panik ließ. Die Strömung zerrte und schlängelte sich um ihre Beine, und die Decke schien mit jedem Meter tiefer zu sinken. Elias’ Brust brannte unter dem Gewicht des nach unten drückenden Wassers. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Luft noch in seinem Tank war.

Advertisement
Advertisement

Vor ihm flackerte Edwins Licht, der einzige Orientierungspunkt in der endlosen Dunkelheit. Seine Bewegungen waren gleichmäßig, entschlossen. Das war das Einzige, was Elias am Laufen hielt. Das, und der Gedanke, den Jungen nicht allein an diesem Ort verschwinden zu lassen.

Advertisement

Nach gefühlten Stunden verbreiterte sich der Tunnel. Die Strömung ließ nach, und die Felswände öffneten sich zu einer kleinen Höhle. Elias’ Finger berührten etwas Festes unter ihm, den Boden. Er tauchte in einer Lufttasche auf und keuchte.

Advertisement
Advertisement

Mit schmerzenden Lungen riss er seine Maske ab und drehte sich im schwachen Schein seiner Stirnlampe um. Das Höhlendach tropfte im langsamen Rhythmus. Die Luft roch nach Salz und Eisen. Edwin stand hüfttief im Becken, erstarrt, und starrte auf etwas in der Nähe der Felsen.

Advertisement

“Elias”, sagte er mit hohler, ungläubiger Stimme. An der Wand lag ein Haufen Ausrüstung, Flaschen, Flossen, ein verrostetes Messer, alles glitschig von Alter und Salz. Taucherausrüstung. Nicht von ihnen. Elias’ Puls hämmerte. “Jemand anderes war hier.”

Advertisement
Advertisement

Bevor Edwin antworten konnte, flackerte Licht aus dem Inneren der Höhle auf. Schwach, unbeständig, wie der Puls einer sterbenden Laterne. Sie folgten ihm schweigend, ihre Stiefel schwappten durch die Untiefen, bis sich der Tunnel in eine Kammer öffnete, die größer war, als Elias es sich vorgestellt hatte.

Advertisement

Die Kette endete dort und verschwand in einem massiven Eisenanker, der im Stein verkeilt war. Und daneben, halb sitzend, halb an die Wand gelehnt, stand ein alter Mann. Sein Bart war verfilzt, seine Haut blass unter einer Schicht aus Schmutz. Seine Augen flatterten auf, als sie ihre Schritte hörten.

Advertisement
Advertisement

Edwin erstarrte. Die Maske des Unglaubens auf seinem Gesicht zerfiel in etwas Raues, Zitterndes. “Dad?”, flüsterte er. Der alte Mann blinzelte langsam, als ob er aus einem langen Traum erwachte. Seine Stimme klang brüchig, kaum ein Atemzug. “Edwin …”

Advertisement

Einen langen Moment lang hörte Elias nur das flache, unregelmäßige Raspeln des Atems des alten Mannes. Aus der Nähe sah er kleiner aus, blass und zitternd, sein Neoprenanzug war an einer Schulter zerrissen. Elias hockte sich neben ihn. “Du bist verletzt. Wir müssen dich hier rausholen.”

Advertisement
Advertisement

Die Augen des Mannes flatterten auf. “Ich kann nicht”, flüsterte er. “Mein Luftschlauch ist an den Felsen gerissen. Ich habe den Druck verloren, bevor ich wieder herauskam.” Edwin trat näher, seine Stimme zitterte. “Du bist die ganze Zeit hier gewesen?”

Advertisement

Der alte Mann nickte schwach. “Drei… vielleicht vier Tage. Ich habe diese Tasche durch Zufall gefunden. Ich habe das bisschen Luft geatmet, das es gibt.” Elias’ Herz pochte. “Du hast Glück, dass du noch lebst.” Er warf einen Blick auf die Tanks auf dem Boden, zwei leere, beide mit den gleichen Initialen, die schwach in das Metall geätzt waren: E.T.

Advertisement
Advertisement

Dann überprüfte er instinktiv sein eigenes Messgerät. Die Nadel schwebte gefährlich nahe am roten Bereich. Bei Edwin war es dasselbe. “Wir haben kaum noch genug für den Rückweg”, murmelte Elias. Der alte Mann versuchte, sich aufzusetzen. “Lass mich”, sagte er. “Du wirst es nicht schaffen, wenn du Zeit mit mir verschwendest.”

Advertisement

Edwin schüttelte heftig den Kopf. “Ich werde dich nicht verlassen. Wir werden einen anderen Ausweg finden.” Ein Schweigen legte sich über sie, schwer und verzweifelt. Nur das leise Plätschern des Wassers durchbrach sie. Elias’ Licht durchleuchtete die Höhle, auf der Suche nach irgendetwas, einem Tunnel, einem Spalt, sogar einer Strömung, die nach oben führen könnte.

Advertisement
Advertisement

Elias hielt Edwins Vater fest, während der Mann mit seinem Gurt herumfuchtelte. Seine Finger waren steif, seine Bewegungen langsam vor Erschöpfung und Dehydrierung. Der Tank des alten Mannes war knochentrocken, und der Atemregler zischte nutzlos, als er getestet wurde.

Advertisement

Elias löste seinen eigenen und drückte ihm das Mundstück in die Hand. “Wir teilen uns”, sagte er fest. “Du nimmst den ersten Zug.” Der Mann schüttelte schwach den Kopf. “Nein…” “Keine Widerrede”, unterbrach ihn Elias. Er zog die Riemen um die Schultern des alten Mannes fest und sorgte dafür, dass die Maske sicher saß. “Bleib zwischen uns. Atme, wenn ich dir auf den Arm klopfe.”

Advertisement
Advertisement

Edwin schwebte neben ihnen, seine Augen huschten von seinem Vater zu dem schmalen Wassertunnel vor ihnen. “Wir haben nicht viel Zeit”, sagte er, und seine Stimme zitterte durch die Maske. “Unsere Tanks sind fast leer.” “Dann gehen wir jetzt”, erwiderte Elias.

Advertisement

Die drei schlüpften unter die Oberfläche und wurden von dem schwarzen Wasser verschluckt. Das Licht ihrer Fackeln flackerte und schnitt durch Wolken aus Schlick und zerbrochenem Stein. Der Tunnel winkelte nach oben, eine zerklüftete Rinne, die sich in Richtung dessen schlängelte, wovon Elias betete, dass es offenes Wasser war.

Advertisement
Advertisement

Sie bewegten sich in langsamen, gemessenen Zügen und wechselten alle paar Sekunden den Regler. Jeder Wechsel kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Atmen. Passieren. Atmen. Passieren. Auf halbem Weg verstärkte sich die Strömung und riss sie nach hinten. Elias’ Muskeln schrien auf, als er fester zuschlug und den alten Mann mit einem Arm nach vorne zog. Der Druck in seiner Brust wurde unerträglich.

Advertisement

Er blickte nach oben, immer noch nur Dunkelheit über ihm. Der alte Mann begann zu schwanken, seine Bewegungen waren träge, seine Hand glitt von der Kettenwand ab. Blasen entkamen seinen Lippen, und in seinen Augen flackerte Panik auf. Elias schob ihm den Atemregler zurück in den Mund und bedeutete ihm, zu atmen.

Advertisement
Advertisement

Die Anzeige blinkte rot. Elias’ Lunge fühlte sich an wie Feuer. Jede Sekunde dehnte sich unvorstellbar lang. Er versuchte, das Ziehen in seiner Kehle zu ignorieren, den hohlen Schmerz in seiner Brust, die aufsteigende Panik, die sich ihren Weg durch seine Wirbelsäule bahnte.

Advertisement

Ein Schatten schwebte an seinem Lichtstrahl vorbei, massiv, glatt, bedächtig. Die Gestalt kreiste einmal, still und langsam. Das Schnipsen eines Schwanzes. Elias’ Puls hämmerte. Ein Hai. Er wagte nicht, noch einmal hinzusehen. Er trat nach oben und riss den alten Mann mit sich. Der Druck drückte gegen seinen Schädel. Die Welt begann sich an den Rändern zu verdunkeln.

Advertisement
Advertisement

Dann drückte eine Hand, Edwins Hand, einen Regulator an seine Lippen. Elias atmete einmal verzweifelt ein, die Luft brannte in seiner Kehle wie Feuer und Eis auf einmal. Sie strampelten gemeinsam, die Beine brannten, jeder Tritt wurde vom puren Überleben angetrieben. Das Wasser über ihnen schimmerte schwach, silbern und unerreichbar.

Advertisement

Elias’ Sicht verengte sich. Sein Brustkorb krampfte sich zusammen. Die Welt wurde an den Rändern weiß – und dann durchbrachen sie die Oberfläche. Das Dröhnen ihrer eigenen Atemzüge erfüllte die Luft, wild und unkontrolliert. Elias hustete heftig und verschluckte sich an Salz, sein Körper zitterte, als er nach Sauerstoff schnappte.

Advertisement
Advertisement

Edwin tauchte neben ihm auf, riss sich die Maske ab und atmete unregelmäßig und ruckartig. Einen Moment lang bewegte sich keiner von ihnen. Sie ließen sich schweigend treiben, während die Wellen sanft gegen den Rumpf des Bootes in der Nähe klatschten und die Rettung zum Greifen nahe war.

Advertisement

Elias hakte einen Arm unter den alten Mann und hob ihn mit schreienden Muskeln auf das Deck. Der Mann brach zusammen, hustend, aber lebendig. Elias zog sich selbst nach oben und brach neben ihnen zusammen, mit hämmernder Brust. Die Luft schmeckte scharf und kalt.

Advertisement
Advertisement

Edwin klammerte sich an die Reling und zitterte unkontrolliert. Lange Zeit gab es keine Worte, nur das Rauschen des Meeres, das wieder so ruhig war, als hätte es sie nicht fast eingeholt. Elias schloss die Augen und ließ die Welt um sich herum ruhiger werden. Sie hatten es geschafft, aber nur knapp.

Advertisement

Als sie das Ufer erreichten, war das Licht weich und golden geworden. Die Dorfbewohner warteten, angelockt durch das Geräusch des Motors und den Anblick der drei Gestalten, die in dem Boot zusammengesunken waren. Elias und Edwin zogen den älteren Mann auf den Steg, wo die Krankenschwester mit Decken und Wasser herbeieilte. Die Menge blieb zurück und schwieg.

Advertisement
Advertisement

“Er ist schwach”, sagte die Krankenschwester, nachdem sie seinen Puls geprüft hatte, “aber er wird sich bald wieder so weit erholen, dass er sich wieder beschweren kann.” Erleichterung machte sich leise im Hafenbecken breit. Edwin atmete zittrig aus, Elias rieb sich das Gesicht, und die Fischer in der Nähe begannen, ihre Netze einzuholen, als wäre der Tag endlich wieder normal geworden.

Advertisement

An diesem Abend saßen die drei vor Elias’ Hütte mit Blick auf das Meer. Dampf stieg von den Schüsseln mit dem Eintopf auf und trug den Geruch von Fisch und Zwiebeln durch die salzige Luft. Edwins Vater sprach zuerst, seine Stimme war sanft, aber fest.

Advertisement
Advertisement

“Es war kein Schatz”, sagte er. “Es war ein Teil einer alten Seeblockade. Diese Ketten wurden während der Kriege quer über die Buchten gelegt, um feindliche Schiffe an der Einfahrt zu hindern. Sie müssen zurückgelassen und vergraben worden sein, bis die Gezeiten sie wieder freilegten.” Elias starrte zum Horizont, wo das Wasser im Mondlicht schwach schimmerte.

Advertisement

“Das ist also alles, was es war”, sagte er. “Ein Stück Eisen und Geschichte, das uns alle in Atem hält.” Edwin lächelte leise. “Wenigstens wissen wir jetzt, was da unten ist. Die Boote können ausweichen.” Elias nickte. Danach aßen die drei schweigend, während die Wellen leise an die Oberfläche plätscherten.

Advertisement
Advertisement