Daniel hatte nicht erwartet, dass die Wand so leicht nachgeben würde. Ein Schlag mit dem Hammer und die Trockenmauer brach auf wie eine Muschel, die unter Druck zerbricht. Eine dicke, warme Staubwolke quoll hervor und klebte an seinem Hals. Er hustete, wischte sie weg und hob seine Taschenlampe auf die zerklüftete Öffnung, die er geschaffen hatte. Er erstarrte. Etwas bewegte sich in dem Hohlraum.
Nicht schnell, aber genug, um ihm einen scharfen, instinktiven Schauer über den Rücken zu jagen. Sein Licht zitterte, als er versuchte, sich auf die Formen vor ihm zu konzentrieren. Dunkle Linien hingen an den inneren Bolzen, umschlangen sie, als würden sie das Holz festhalten. Ein langsamer, pulsierender Glanz kroch über ihre Oberfläche… als ob die Wand selbst atmen würde.
Er hatte schon früher Häuser aufgerissen. Er hatte Nester gefunden, Fäulnis, alte Kabelkatastrophen, aber noch nie etwas, auf das sein Körper reagierte, bevor sein Verstand ihn einholen konnte. Was auch immer sich in dieser Wand befand, war nicht dafür bestimmt, gefunden zu werden. Und als sich die Öffnung weitete, schien sich etwas tief im Inneren des Hohlraums zu bewegen… nur ein wenig… als hätte es auf den ersten Riss gewartet.
Daniel Woods und Megan Clarke hatten in den letzten sechs Jahren genug Häuser renoviert, um zu wissen, dass jedes Haus ein paar Überraschungen bereithielt. Ein schiefes Brett hier, eine heikle Steckdose dort, nichts, womit sie nicht zurechtkämen. Als sie also das alte zweistöckige Haus in der Maple Ridge Lane besichtigten, erschraken sie nicht über die abblätternde Farbe oder die veraltete Küche.

Das waren nur oberflächliche Probleme. Ganz einfach. Im Gegenteil, sie liebten das Haus. Es hatte Charme, der in die Knochen eingebrannt war, Buntglasfenster, die die Nachmittagssonne genau richtig einfingen, eine umlaufende Veranda, die sich perfekt für den Kaffee am Morgen eignete, und einen gemütlichen Kamin, den Megan sich sofort vorstellte, um ihn weihnachtlich zu dekorieren. Das Haus wirkte bewohnt, nicht vernachlässigt.
Ein bisschen staubig, sicher, aber mit einer Wärme, die man nicht inszenieren konnte. Die Inspektion war kurz und ereignislos. Der Inspektor, ein gelangweilt aussehender Mann in den Fünfzigern, zuckte mit den Schultern, als er die Punkte auf seinem Klemmbrett abhakte. “Strukturell in Ordnung”, sagte er. “Den Warmwasserbereiter werden Sie irgendwann erneuern müssen. Und der Keller ist feucht, aber das ist bei alten Häusern nun mal so.”

Nichts Besorgniserregendes. Nichts Teures. Nichts, was ihre Entscheidung geändert hätte. Sie kauften das Haus, feierten mit billigem Sekt in Pappbechern und schliefen auf einer Luftmatratze im Wohnzimmer ein, starrten auf das verzierte Deckenmedaillon und stellten sich die Zukunft vor. In der ersten Woche fühlte sich alles richtig an. Dann begann das Haus sich zu entblößen.
Es fing ganz harmlos an. Ein Wasserhahn, der nicht aufhören wollte zu tropfen. Ein Stück Tapete, das sich mit einem einzigen Ruck komplett ablöste. Ein Lichtschalter, der Funken schlug, als Daniel ihn umlegte. Ärgernisse, keine Katastrophen. Die Art von Dingen, über die langjährige Renovierer mit den Augen rollen, die sie aber trotzdem beheben. Daniel zog Rohre fest, ersetzte Schalter, kroch unter Waschbecken.

Megan schrubbte den jahrelangen Schmutz von den alten Fliesen und strich die Wände neu, bis ihre Hände krampften. Sie erledigten ein Problem nach dem anderen und strichen jede Aufgabe mit einem zufriedenen Wisch mit dem Bleistift ab. Das Haus wurde jedoch nur langsam warm. In der zweiten Woche entdeckten sie Kabel, die aussahen, als hätte jemand Kleiderbügel anstelle von richtigen Kabeln verwendet.
Einen Lüftungsschacht im Badezimmer, der nirgendwo anders hinführte als in die Wand. Ein Riss im Fundament, der geschickt hinter einem Kleiderschrank versteckt war, den die Vorbesitzer “versehentlich” zurückgelassen hatten. “Das wird langsam lächerlich”, murmelte Daniel eines Abends, als er auf der Kellertreppe saß und eine Taschenlampe zwischen die Zähne klemmte. “Wir können es immer noch reparieren”, betonte Megan, obwohl ihre Stimme nicht den gewohnten Elan besaß.

“Wir haben schon viel Schlimmeres gemacht. Erinnerst du dich an das Farmhaus in Dayton?” “Das Haus ist nicht absichtlich auseinander gefallen”, murmelte er. Trotzdem machten sie weiter. Und mit der Zeit gewannen sie. Jedes Leck wurde repariert. Jeder Riss geflickt. Jedes Kabel ersetzt. Jedes seltsame Knarren wurde erkannt und nach bestem Wissen und Gewissen behoben. Schließlich wurde das Haus still und ruhig, als ob es seinen Kampf aufgegeben hätte.
Bis auf den Geruch. Er war schwach, anfangs kaum wahrnehmbar. Ein muffiger, erdiger Geruch, der durch das Wohnzimmer zog wie eine Wolke, die durch einen Sonnenstrahl fällt. Sie vermuteten, dass es sich um Staub oder alte Isolierung handelte. Aber er ging nicht weg. Selbst nachdem Daniel die Lüftungsschlitze geschrubbt hatte. Selbst nachdem Megan in jedem Zimmer Luftentfeuchter aufgestellt hatte. An manchen Tagen war es kaum zu spüren.

An anderen Tagen fiel es ihnen sofort auf, wenn sie durch die Tür traten. “Schimmel?” Schlug Daniel vor. Megan schüttelte den Kopf. “Nein. Schimmel riecht anders. Das ist … ich weiß nicht. Es ist wie feuchte Erde. Oder als ob etwas in den Wänden verrotten würde.” Sie putzten wieder. Eine gründliche Reinigung. Daniel lieh sich sogar eine Wärmebildkamera von einem Freund, um nach feuchten Stellen zu suchen. Aber nichts. Aber der Geruch hielt an.
Eines Abends saß Megan auf dem Wohnzimmerboden, umgeben von Farbmustern für den Flur im Obergeschoss. Sie hielt mitten im Gespräch inne und runzelte die Stirn, als sie die Luft schnupperte. “Da ist es wieder”, sagte sie langsam. “Riechst du es nicht? Heute Abend ist es stärker.” Daniel setzte sein Rollentablett ab und atmete ein. Ein paar Sekunden später veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

“…Okay”, gab er zu. “Ja. Es ist nicht in den Lüftungsschächten. Und es kommt auch nicht aus dem Keller.” Megan stand auf und drehte sich in einem langsamen Kreis, als würde sie den Geruch triangulieren. Ihre Nase rümpfte sich, ihre Augen verengten sich vor Konzentration. “Er kommt von dort drüben”, sagte sie und deutete auf die Ecke ganz links hinter dem alten Heizkörper.
Die Ecke, um die sie sich nie gekümmert hatten und die ganz normal aussah. Die Ecke, die nicht knarrte, leckte oder bröckelte wie alles andere im Haus. Daniel ging hinüber und drückte seine Hand an die Wand. Kalt. Leicht feucht. Und der Geruch, schwach, aber stärker als irgendwo sonst. Megans Stimme sank auf ein Flüstern. “Warum ist es dort kalt, Dan?”

Er hatte keine Antwort parat. Er drückte sein Ohr an die Wand, als ob er ein Geräusch erwartete. Doch nichts. Aber irgendetwas an dieser Ecke fühlte sich falsch an. Unangebracht. Als gehöre sie überhaupt nicht in den Raum. “Wir werden morgen nachsehen”, sagte Daniel schließlich. Megan bewegte sich nicht. Ihr Blick blieb auf der Wand haften, als würde sie erwarten, dass sie sich bewegte. “Ja”, murmelte sie. “Morgen.”
Aber sie wussten beide das Gleiche: Sie hatten es nicht nur mit einem seltsamen Geruch zu tun. Sie hatten den ersten Riss in einem Geheimnis gefunden, das das Haus niemals preisgeben wollte. Am nächsten Morgen kümmerte sich keiner von ihnen um den Kaffee.

Daniel wälzte sich bereits angespannt aus dem Bett, und Megan hatte kaum geschlafen. Der Geruch hatte sich in ihre Träume geschlichen und jeden Schatten in etwas Feuchtes und Atmendes verwandelt. Bei Sonnenaufgang hatte sie sich entschlossen.
“Heute machen wir die Wand fertig”, sagte sie und band ihr Haar zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Daniel schnappte sich sein Maßband, den Bolzenfinder und die Taschenlampe. “Ja. Das müssen wir.” Er ging auf die verdächtige Ecke zu, als Megan plötzlich auf halbem Weg stehen blieb und mit zusammengekniffenen Augen auf das Fenster daneben starrte. “Dan… sieh dir das an”, sagte sie.

Er schloss sich ihr an und folgte ihrem Blick zu dem Spalt zwischen der rechten Seite des Fensterrahmens und der Eckwand. Es war kein normaler Spalt. Sie war riesig, fast eineinhalb Meter toter Raum, der überhaupt nicht zur Raumaufteilung passte.
“Das kann nicht stimmen”, flüsterte Megan. “Wenn die Wand da ist, wo sie zu sein scheint, müsste dieses Fenster fast bündig sein. Warum gibt es hier so viel leeren Raum?” Daniels Stirn runzelte sich. “Ja … das ist seltsam. Wirklich seltsam.” Jetzt machten die Werkzeuge Sinn.

Sie begannen, jeden Zentimeter der Ecke und der Wand um das Fenster herum zu vermessen. Bolzen für Bolzen, Markierung für Markierung, auf dem Papier sah alles normal aus. Die Abstände waren in Ordnung. Die Dicke der Trockenbauwand war normal. Sogar der Bolzenfinder zeigte genau an, wo er sein sollte.
Aber irgendetwas fühlte sich falsch an. Die Wand blieb unnatürlich kalt. Die Fußleisten waren leicht feucht. Und der Geruch, erdig und schwer, war genau dort am stärksten, wo die Messungen nichts Ungewöhnliches ergaben. Und doch… fühlte es sich nicht oberflächlich an. Ganz und gar nicht.

Daniel trat von der Wand zurück, das Maßband baumelte in seiner Hand. “Acht Zentimeter”, murmelte er. “Auf jedem Maßband steht acht Zentimeter. Aber das…” Er drückte seine Handfläche wieder flach gegen die Trockenbauwand. “Das fühlt sich an wie ein Kühlschrank.”
Megan hockte sich in die Nähe der Fußleiste und fuhr mit den Fingern leicht an der Naht entlang, wo die Wand auf den Boden traf. “Es ist wieder feucht”, sagte sie. “Ich habe das gestern getrocknet. Vollständig.” Als sie ihre Hand zurückzog, glitzerten ihre Fingerspitzen, als hätte sie Morgentau berührt.

Auch der Geruch war in diesem Winkel stärker, erdig, stagnierend, wie ein Waldboden nach wochenlangem Regen. Sie stand schnell auf. “Dan, etwas ist hinter dieser Wand. Etwas Großes. Das muss es sein.” Daniel widersprach nicht mehr. Der Abstand zwischen den Fenstern, die Kälte, der Geruch, all das fügte sich zu einer Antwort zusammen, die er nicht laut aussprechen wollte. Stattdessen holte er ein Universalmesser aus dem Werkzeugkasten.
“Okay”, sagte er leise. “Lass es uns herausfinden.” Megan stockte der Atem. “Du machst ihn jetzt auf?” “Wir haben alles andere ausgeschlossen”, antwortete er und schob die Klinge unter die erste Ecke der Trockenbauwand. “Und wenn es sich um Schimmel oder ein Leck in der Struktur handelt, wird es umso schlimmer, je länger wir warten.”

Sie nickte, aber die Art und Weise, wie sie die Arme vor der Brust verschränkte, verriet ihm, dass es nicht der Schimmel war, vor dem sie Angst hatte. Daniel ritzte eine lange Linie entlang der Naht, das Messer flüsterte durch den Gips. Er wechselte zu einem Stemmeisen und löste die Trockenbauwand vorsichtig. Es knackte einmal, zweimal, dann löste sich ein ganzer Abschnitt mit einem Ächzen und schälte sich ab wie die Haut von etwas Altem.
Megan trat näher heran und erstarrte. “Was… ist das?”, flüsterte sie. Im Inneren der Wand war keine Isolierung. Keine Fäulnis. Keine Rohre. Schwarze, wurzelartige Adern zogen sich über den inneren Hohlraum, dick und verzweigt wie ein Pilzgeflecht. Sie klammerten sich an die Stützen, schlängelten sich nach oben und verschwanden in einer dunklen Masse tiefer im Inneren.

Der Geruch strömte in einer neuen Welle aus: stärker, feuchter, unverkennbar organisch. Daniels Kehle schnürte sich zu. “Jesus …” Megan hielt sich den Mund zu. “Dan … es sieht aus, als würde es wachsen.” Er beugte sich vor und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Die Adern pulsierten schwach in der Reflexion des Lichtstrahls, sie bewegten sich nicht, aber sie waren auf eine Weise strukturiert, die sie beunruhigend lebendig erscheinen ließ.
Was ihn am meisten beunruhigte, war die Quelle: Die Adern waren nicht zufällig. Sie gingen alle von einer einzigen Stelle aus, die tiefer in dem verborgenen Raum lag. Ein massiver Zementblock. Jünger als der Rest des Hauses. Falsche Farbe, falsche Beschaffenheit, alles falsch. Jemand hatte etwas eingeschlossen.

“Dan”, sagte Megan mit zitternder Stimme, “wir müssen den Zement öffnen. Was auch immer das ist … es ist nicht normal.” Daniel schluckte schwer. Er wusste, dass sie recht hatte. Er wusste auch, dass es kein Zurück mehr geben würde, wenn sie diesen Block erst einmal durchbrochen hatten.
Daniel holte seinen Hammer und seinen Meißel, und seine Hände zitterten nur leicht, als er die Werkzeuge neben dem freigelegten Hohlraum in der Wand absetzte. Die schwarzen, aderartigen Wucherungen schienen immer dichter zu werden, je näher sie dem Zementblock kamen, fast so, als würde der Beton selbst sie ernähren.

Megan schwebte hinter ihm, die Arme fest um ihren Bauch geschlungen. “Sei vorsichtig”, flüsterte sie. “Das … was auch immer das ist … es sieht falsch aus.” Er nickte und setzte den Meißel an der Kante der Betonplatte an. Ein Riss. Ein Span brach ab. Ein weiterer Schlag, ein Knacken, und mehr Zementstaub rieselte wie grauer Schnee herab.
Der Geruch verstärkte sich, schwer und feucht, und blieb ihnen im Halse stecken. “Dahinter ist es hohl”, murmelte Daniel und klopfte auf die Oberfläche. Das Echo war nicht dicht, es war dünn, fast leer. “Jemand hat das gegossen, nachdem das Haus gebaut wurde”, sagte Megan. “Aber warum einen Hohlraum versiegeln?” Daniel antwortete nicht. Er schlug fester zu.

Betonbrocken fielen ab, bis ein Stück von der Größe eines Esstellers entfernt war. Dahinter befand sich keine Isolierung, keine Erde, sondern Dunkelheit. Tiefe, unnatürliche Dunkelheit, die weiter reichte, als es der Hohlraum hätte zulassen dürfen. Er lehnte sich näher heran und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. “Was zum…” Seine Stimme verstummte. Megan trat neben ihn. Ihr Atem ging stoßweise.
Der Zementblock war über einem abfallenden Schacht aufgeschüttet worden. Es handelte sich nicht um einen kleinen Hohlraum oder einen Kriechgang, sondern um einen senkrechten Schacht, der vielleicht drei Meter tief und auf beiden Seiten mit Holzbalken verstärkt war. Jemand hatte absichtlich eine verborgene untere Ebene unter ihrem Wohnzimmer geschaffen.

Daniel atmete zittrig aus. “Das ist … das ist ein ganz anderer Raum.” Megan schluckte. “Wer baut einen Raum … und versiegelt ihn dann?” Ihr Blick wanderte zu den schwarzen, wurzelartigen Adern, die sich den Schaft hinunterzogen. Dort sahen sie noch dicker aus, als würden sie nach oben ausbrechen und versuchen zu entkommen.
Daniel griff nach der Leiter, die sie in der Garage aufbewahrten, sein Zögern war deutlich, aber seine Entschlossenheit stärker. “Wir müssen nachsehen, was da unten ist.” Megans Mund öffnete sich in instinktivem Protest, aber sie schloss ihn wieder. Wer immer das getan hatte, hatte nicht nur versucht, etwas zu verbergen. Sie hatten sich sehr viel Mühe gegeben, um sicherzustellen, dass es verborgen blieb.

Er stemmte die Leiter gegen die Öffnung und verankerte sie zwischen zwei Stützbalken. “Du bleibst hier”, sagte er. “Auf keinen Fall”, antwortete sie, blass, aber fest. “Wir gehen zusammen.” Eine lange Sekunde lang sahen sie sich einfach nur an, zwei Renovierer, die schon Dutzende von Wänden eingerissen und Hunderte von seltsamen Reparaturen entdeckt hatten, ohne jemals Angst vor einem Bauwerk gehabt zu haben.
Diesmal war es anders. Daniel stieg zuerst hinunter, vorsichtig, die Taschenlampe zwischen den Zähnen, als seine Stiefel den schmutzigen Boden unter ihm berührten. Megan folgte ihm und stieg jede Sprosse hinunter, bis sie neben ihm den Boden erreichte. Sie drehten sich langsam um und beleuchteten den Raum um sie herum.

Ihre Strahlen trafen auf eine große Metalltür am anderen Ende des unterirdischen Raums, die rostig war, sich in der Mitte leicht wölbte und von denselben schwarzen, aderartigen Wucherungen umhüllt war, die auch die Wand darüber befallen hatten. Megan flüsterte das Einzige, was einer von ihnen zustande brachte: “Dan … diese Tür sieht aus, als würde sie versuchen, etwas einzusperren.”
Sie standen wie erstarrt am Fuß der Leiter, ihre Taschenlampen schnitten schwache Kegel durch die feuchte, unbewegliche Luft. Der unterirdische Raum fühlte sich falsch an. Zu still. Zu kalt. Zu still für einen Raum, der seit wer-weiß-wie-langem versiegelt war. Daniel machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn.

Der schmutzige Boden drückte sich unter seinen Stiefeln mit einem weichen, dumpfen Knirschen zusammen, als würde er eher auf feuchtem Mulch als auf Erde gehen. Megan rümpfte die Nase. “Dieser Geruch … er ist hier unten stärker”, flüsterte sie. Daniel hob die Taschenlampe und richtete sie auf die Metalltür. Sie war nicht nur verrostet. Sie wölbte sich ganz leicht nach innen.
Als ob der Druck von der anderen Seite schon seit Jahren auf sie drückte. Die Ränder des Türrahmens waren mit demselben schwarzen, wurzelartigen Pilz bewachsen, den sie oben gesehen hatten, der hier dicker war und im Licht schwach pulsierte. Megan griff nach Daniels Ärmel. “Hast du das gesehen?” “Was?”

“Es … hat sich bewegt.” Er starrte noch fester. Die Wucherungen bewegten sich nicht mehr. Sie lagen still, wie längst abgestorbene Ranken, die auf dem Stahl versteinert waren. “Meg… alles sieht so aus, als würde es sich bewegen, wenn wir uns erschrecken”, sagte er und versuchte, es zu glauben. Aber das tat er nicht.
Er trat näher heran. Die Tür ragte über ihnen auf, etwa zwei Meter breit und mit dicken Eisenbändern verstärkt, die wie etwas aus einem Atombunker aussahen. Nur älter. Gröber. Als wäre sie von jemandem zugeschweißt worden, der in Panik geraten war, anstatt zu planen.

Daniel legte seine Fingerspitzen in die Nähe der wulstigen Mitte. Das Metall vibrierte. Nur leicht. Kaum spürbar. Aber unüberhörbar. Megan stockte der Atem. “Dan. Hör auf. Fassen Sie es nicht wieder an.” Er zog seine Hand sofort zurück.
Ein einzelnes metallisches Ächzen erschütterte den Raum, lang und leise, wie das Einrasten alter Scharniere oder das Schaben von etwas Schwerem auf der anderen Seite der Tür. Das war genug. Megan packte ihn am Arm. “Wir machen das nicht auf. Das tun wir nicht. Das ist keine Schatzwand. Das ist kein vergessener Keller. Irgendetwas stimmt hier unten nicht. Wir müssen jemanden anrufen.”

Daniel atmete schwer aus, das Adrenalin kämpfte mit dem rationalen Denken. “Ja. Okay. Ja.” Sie kletterten die Leiter hinauf und kamen im Wohnzimmer heraus, als würden sie einem sinkenden Schiff entkommen. Daniel schob die Leiter von der Öffnung weg und legte eine Sperrholzplatte über das Loch, nur um sich sicherer zu fühlen. Megans Hände zitterten, als sie den Notruf wählte.
“Das wird sich jetzt seltsam anhören”, sagte sie mit zitternder Stimme zum Disponenten. “Aber wir haben einen… versiegelten Raum unter unserem Haus gefunden. Und eine Metalltür. Und etwas ist… undicht? Wächst? Ich weiß es nicht. Aber es ist nicht sicher. Bitte, wir brauchen jemanden. Wir brauchen jemanden, der kommt.” Innerhalb weniger Minuten rollte ein Streifenwagen die Einfahrt hinauf.

Officer Riley, ein ruhig aussehender Mann in den Dreißigern, folgte ihnen ins Haus. Er hörte sich die Geschichte an, ohne sie zu unterbrechen, bis auf eine Anspannung seines Kiefers, als sie die schwarzen Wucherungen und das vibrierende Metall erwähnten. “Zeigen Sie es mir”, sagte er. Sie führten ihn zu der herausgerissenen Wand, der Leiter und der Öffnung im Boden. Riley hockte sich hin, leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Schacht… und verstummte.
Dann stand er abrupt auf. “Ich muss einen Anruf tätigen”, sagte er und trat zur Seite, um über Funk Verstärkung zu holen. Seine Stimme war ruhig, aber seine Haltung hatte sich verändert, steif, wachsam, angespannt. Nach einem kurzen, knappen Gespräch kehrte er zu ihnen zurück. “Okay”, sagte er. “Ein Einsatzteam ist auf dem Weg.” “Einsatzteam?” Megan hakte nach. “Wie … mehr Beamte?”

Riley schüttelte einmal den Kopf. “Nein. FBI.” Keine vierzig Minuten später fuhren zwei schwarze Geländewagen in die Einfahrt, still wie ein Schatten. Keine Sirenen. Keine blinkenden Lichter. Nur nicht gekennzeichnete Fahrzeuge und die Art von zielgerichteter Bewegung, die Daniel einen Knoten in den Magen trieb.
Drei Agenten stiegen aus; zwei in einfachen Jacken, einer in einer schwereren Weste, auf der in kleinen, reflektierenden Buchstaben HAZMAT CONSULT stand. Hinter ihnen verließ eine vierte Person das Fahrzeug, die einen Metallkoffer trug. Er sah anders aus als die anderen: älter, drahtig, mit ruhigen Augen hinter einer dünnen Brille.

“Dr. Halpern”, stellte er sich vor. “Umwelttoxikologie. Sie sind die Hausbesitzer?” Daniel und Megan nickten. Agent Brooks, groß, mit scharfen Köpfen, professionell bis zum Stillstand, trat vor. “Sie müssen beide oben bleiben, wenn wir nichts anderes sagen”, wies sie an.
“Officer Riley hat uns darüber informiert, was er gefunden hat. Wir werden das Gelände untersuchen und feststellen, ob es sich um eine Kontaminationsgefahr handelt.” Kontamination. Gefahr. Worte, die Megans Kehle zuschnürten. Dr. Halpern kratzte eine weitere Probe des schwarzen Bewuchses in ein Fläschchen, seine Stirn zog sich zusammen. “Es ist ein Pilz”, murmelte er. “Aber die Kolonie ernährt sich von etwas.”

Megan schluckte. “Füttern? Was meinen Sie mit ernähren?” Halpern beschönigte die Sache nicht. “Pilze wachsen nicht so ohne eine Nährstoffquelle. Könnte feuchtes Holz sein … könnte ein totes Nagetier sein … könnte …” Er zögerte gerade lange genug, dass sich ihr Magen umdrehte. “… etwas Größeres.”
Daniel spürte, wie sich die Haare auf seinen Armen aufstellten. Bevor einer von ihnen mehr fragen konnte, begannen die Agenten, die Leiter in die Öffnung hinabzulassen. Einer nach dem anderen verschwand unter dem Boden, Taschenlampen durchschnitten die Dunkelheit, während die Funkgeräte leise knisterten. “Die untere Ebene ist intakt”, rief ein Agent nach oben. “Da ist eine Metalltür … definitiv verrostet, verzogen. Und der Bewuchs ist hier unten noch schlimmer.”

Eine andere Stimme: unruhig, ohne es zu verbergen. “Es ist, als würde die Wand atmen.” Megan presste eine Hand auf ihren Mund. Es folgte eine lange Pause, in der Daniel eine Gänsehaut bekam. Dann die Stimme eines Agenten, leise, aber dringend: “… Brooks. Das müssen Sie sich ansehen.” Halpern stieg als Nächstes hinunter und kletterte mit steifer Präzision die Leiter hinunter.
Daniel und Megan schwebten über der Öffnung und hörten Gesprächsfetzen zu, die nach oben drifteten, nicht klar, aber unverkennbar angespannt. “…Druck baut sich auf…” “…die Tür beult sich von innen aus…” “…wenn es sich davon ernährt – wir können es nicht ignorieren.” Daniels Puls hämmerte. Megan umklammerte die Couch so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden.

Nach mehreren langen, quälenden Minuten kam Agent Brooks endlich aus dem Loch heraus, ihre Jacke war mit Staub verschmiert. Sie atmete einmal aus und beruhigte sich, bevor sie sich ihnen zuwandte. “Mr. Woods. Ms. Clarke”, sagte sie mit ruhiger, aber angespannter Stimme, “wir müssen diese Tür öffnen.” Megans Augen weiteten sich. “Ist das überhaupt sicher?”
Brooks gab nicht vor, es zu wissen. “Wir haben alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Aber was auch immer hinter dieser Tür ist, treibt das Pilzwachstum an. Wenn wir sie versiegelt lassen, könnte es schlimmer werden.” “Und wenn wir etwas einatmen?” Fragte Daniel. “Deshalb bleiben Sie hier oben”, sagte Brooks sanft. “Wir werden voll ausgerüstet sein.” Ein weiterer Agent kletterte hoch und schleppte einen schweren Metallwerkzeugkasten zur Öffnung.

Dr. Halpern trat ebenfalls nach vorne und trug nun eine vollständige Atemschutzmaske. “Wir werden das Siegel langsam aufbrechen”, erklärte er. “Wir überprüfen den Luftdruck und die Sporenanzahl. Wenn wir etwas Instabiles entdecken, schließen wir es sofort.” Ein dritter Agent kam mit einem tragbaren Eindämmungsvorhang herunter und entfaltete ihn nach und nach, eine flexible Barriere, die verhindern sollte, dass irgendetwas in das Haus gelangte.
Dies war keine Übung. Das war keine Routine. Selbst die Stimmen der Agenten klangen leise und besorgt. Daniel drückte Megans Hand. Sie wich nicht zurück. Unten positionierten sich die Agenten. Brooks nickte leicht. “Auf mein Kommando”, sagte sie durch das Funkgerät, ihre Stimme hallte schwach nach. “Drei… zwei… eins.” Ein tiefes metallisches Ächzen hallte durch die Dielen.

Dann ein scharfes Zischen. Dann das beunruhigende Knistern von unter Druck stehender Luft, die aus einem Raum entweicht, der seit Jahren versiegelt war. “Das Siegel ist gebrochen”, rief jemand mit angespannter Stimme. “Keine sichtbare Ausbreitung.” Megans Griff zog sich schmerzhaft um Daniels Finger zusammen. Unter ihnen kratzte Metall, Scharniere kreischten, und Halperns Stimme schwebte nach oben, gedämpft hinter seiner Maske.
“Öffnen … vorsichtig …” Dann nichts mehr. Eine so dichte Stille, dass sie sich lebendig anfühlte. Daniel hielt den Atem an. Megan spürte ihren Puls in der Kehle. Und dann. Ein erstickter Atemzug. “Oh mein Gott -“, platzte ein Agent heraus und stolperte zurück. “Was ist das?” Eine andere Stimme folgte, leiser, erschüttert. “Sir … das müssen Sie sich ansehen. Sofort.” Blitzlichter flackerten. Stiefel scharrten. Jemand fluchte leise vor sich hin.

Halpern trat vor, seine Stimme war angespannt und ungläubig. “…Es ist ein Zuchtlabor”, sagte er schließlich. “Pilze. Mehrere Arten.” Ein Schlag. Zu lang. Zu angespannt. “Einige sind medizinisch”, fuhr er langsam fort. “Einige sind… psychedelisch.” Ein zweiter Agent fügte mit schwankender Stimme hinzu: “Es gibt… eine Menge davon. Oh Gott. Es ist, als hätten sie den ganzen Raum eingenommen.”
Es folgte ein weiterer Moment der Stille, schwer von Schock und dem schwachen Zischen der unruhigen Luft, die aus der offenen Kammer wehte. “Gefährlich?”, fragte ein Agent. “Nicht im katastrophalen Sinne”, sagte Halpern. “Aber definitiv illegal. Wer immer das gebaut hat, hat experimentiert. Auch einige Hybridstämme, die in den Wänden mutiert sind.” Wieder eine Pause.

“Und der Druckanstieg? Gas und Feuchtigkeit, eingeschlossen hinter der versiegelten Tür. Wenn das noch länger gedauert hätte…” Er sprach nicht zu Ende. Das musste er auch nicht. Daniel stieß einen zittrigen Atem aus. Megans Knie gaben fast nach, als die Erleichterung sie durchströmte. Über dem Loch veränderte sich die Atmosphäre, eine Mischung aus Erschöpfung und fassungslosem Unglauben.
Keine Freude, kein Triumph, nur das immense Gewicht dessen, was beinahe passiert wäre, setzte sich in ihren Knochen fest. Agent Brooks kletterte als Letzte hoch und nahm mit einem müden Seufzer ihre Maske ab. “Wir werden es eindämmen”, sagte sie. “Wir werden den Raum räumen und untersuchen, wer ihn benutzt hat. Aber Sie beide …” Sie schenkte ihm das schwächste, seltenste Lächeln. “…ihr habt die richtige Entscheidung getroffen.”

Daniel stieß einen zittrigen Atem aus, von dem er gar nicht wusste, dass er ihn angehalten hatte. Megan presste die Rückseite ihres Handgelenks an ihren Mund, ihre Augen leuchteten mit der Art von Angst, die erst aufkommt, wenn die Gefahr vorüber ist, mit dem verzögerten Verständnis, dass es so viel schlimmer hätte ausgehen können.
Brooks trat zur Seite, als zwei weitere Agenten aus dem verborgenen Raum kletterten und ihre Handschuhe und Masken abzogen. Einer von ihnen trug einen versiegelten Behälter mit abgetrennten Pilzproben, der andere hielt ein Klemmbrett mit eiligen Notizen in der Hand.

“Die gute Nachricht”, sagte Halpern, als er hinter ihnen auftauchte, “ist, dass die Sporen nicht giftig waren – nicht im unmittelbaren, lebensbedrohlichen Sinne.” Er warf einen gezielten Blick in Richtung des Lochs. “Aber sie sind mutiert. Ohne Belüftung, ohne Wartung … verwandelte sich der Raum in einen biologischen Dampfkochtopf.” Megan schluckte. “Also der Geruch … war es das? Der Pilz?”
“Zum Teil”, antwortete Halpern. “Aber hauptsächlich? Es waren Gase, die sich durch die Zersetzung in dem versiegelten Raum gebildet haben. Feuchtigkeit, abgestandene Luft, biologische Nebenprodukte. Die Pilze haben sich von all dem ernährt – und sich ausgebreitet.” Daniel rieb mit den Handflächen über seine Jeans, seine Stimme war unsicher. “Wenn wir diese Wand nicht geöffnet hätten …” “Dann hätten Sie eine echte Gefahr gehabt”, beendete Brooks.

“Struktureller Zusammenbruch. Atemwegserkrankungen. Oder der Druck hinter dieser Tür hätte sich irgendwann von selbst gelöst.” Ein Schauer kroch über Megans Schultern. Halpern blickte zwischen ihnen hin und her, seine Miene wurde weicher. “Sie haben das früh gefunden. Sehr früh. Die meisten Leute hätten den Geruch ignoriert, bis es zu spät gewesen wäre.” Ein Agent kam mit einem versiegelten Beweismittelbeutel herein.
“Wir katalogisieren gerade die Stämme. Einige von ihnen sind nicht standardmäßig. Jemand hat experimentiert. Möglicherweise hat er Hybride hergestellt.” Brooks nickte. “Und wir werden herausfinden, wer.” Das Haus knarrte leise über ihnen, altes Holz, das sich setzte oder vielleicht nach Jahrzehnten der Geheimniskrämerei einen Atemzug freigab. Daniel und Megan standen Seite an Seite, die Schwere des Augenblicks saß ihnen in den Knochen.

“Und was passiert jetzt?” Fragte Daniel leise. Brooks wies auf ihr Team. “Wir werden das Labor räumen. Entfernen die Pilze. Desinfizieren Sie die gesamte untere Etage. Ihr zwei dürft erst wieder hinein, wenn es für sicher erklärt wurde.” Sie hielt inne, ihr Tonfall war trotz seiner Festigkeit warm. “Und dann? Ihr bekommt euer Haus zurück.” Megan blinzelte, überrascht über den plötzlichen Stich der Tränen in ihren Augen.
“Unser Haus”, wiederholte sie leise, als ob sie sich selbst daran erinnern wollte. Brooks nickte leicht. “Es ist es wert, gerettet zu werden. Aber es wird Arbeit erfordern.” Daniel legte einen Arm um Megans Schultern und zog sie an sich. “Wir können die Arbeit bewältigen”, sagte er, obwohl seine Stimme vor Adrenalinresten zitterte. Brooks’ Funkgerät knisterte. Ein anderer Agent rief nach ihr.

Sie machte einen Schritt auf die Leiter zu, blickte aber mit einem letzten beruhigenden Ton zurück. “Wir übernehmen ab hier”, sagte sie. “Ihr zwei habt genau das getan, was ihr hättet tun sollen. Und dank dessen ist nichts außer Kontrolle geraten.”
Dann verschwand sie in dem verborgenen Raum unter ihrem Haus und ließ Daniel und Megan im schummrigen, staubigen Licht ihres Wohnzimmers zurück – erschüttert, verunsichert und schließlich unerwartet hoffnungsvoll.
